Gewalt ist eine Loesung
wir es mit Edenkoben, Verl, Hauenstein oder Bocholt zu tun und nun würden der FC Bayern München, der HSV und Schalke 04 auf uns warten. Ein glatter Durchmarsch von der Regionalliga West in die 1. Bundesliga. Es sollte die Feier unseres Lebens werden.
Das Saisonabschluss-Spiel gegen Hannover verfolgten wir am Bierstand. Der Aufstieg stand schon fest und es ging nur noch darum, den Tag auf Maximal-Drehzahl zu begehen. 20 Jungs aus Hamburg waren angereist und bei uns waren mit einem Schlag Männer zu sehen, die seit Jahren kaum noch zum Fußball gegangen waren. Generalmobilmachung würde man so etwas militärtaktisch nennen – in unserem Fall war es vielmehr eine »Generalpartyisierung«. Gedanklich waren wir mehr bei der größten Aufstiegsfeier aller Zeiten, als dass wir uns auf eine epochale Schlägerei vorbereitet hätten.
Von uns rechnete niemand mit Problemen. Mit wem auch? In unserer Stadt gab es keinen ernst zu nehmenden Gegner. Keiner, der uns an dem Tag in dieser Größenordnung hätte entgegentreten können. Die Jungs aus Hannover waren zu Hause geblieben und den Hamburgern ging es nur um die Feier des Jahres.
Unsere Aufstiegshelden ließen sich von der Alm in einem offenen roten Doppeldecker-Bus in die Innenstadt bis zum Rathaus chauffieren. Ein Triumphzug! Tausende von Arminia-Fans säumten den Weg und der Bus kam nur im Schritttempo vorwärts. Der Konvoi wurde von der Schützenverein-Kapelle angeführt und von den Cheerleadern der Bielefeld Bulldogs optisch abgerundet. Wir begleiteten den Bus in mehreren Gruppen, feierten mit, sangen alte Arminia-Lieder und hätten ausgelassener nicht sein können.
Auf dem Rathausbalkon ließen sich Mannschaft und Stab feiern. Der Erfolgstrainer Ernst Middendorp konnte tatsächlich lachen – eine für uns bis dahin völlig unbekannte Gefühlsregung bei dem strengen Coach – und das Gedränge vor dem Rathaus nahm Formen an, die selbst hartgesottene Hooligans etwas an den Rand des Geschehens ausweichen ließen. Gut 25.000 Bielefelder waren auf den Beinen und ich schätze, unsere Fußball-Bande dürfte an diesem Abend mit etwa 60 Jungs gestartet sein.
Das Bier kauften wir containerweise in umliegenden Kiosken und Imbissen. Herforder Pils in orangefarbenen Kartons zu zehn Flaschen, die sich problemlos übereinanderstapeln ließen. Da jeder seinen Container einfach in die Mitte stellte, stapelten sich nach kürzester Zeit 40 bis 50 Kartons Herforder übereinander. Und wer dazugehörte, durfte sich einfach bedienen. Wer dazugehörte …
Und dann ging es auch schon los. Irgendwann steuerten vier türkische Jungs – alle um die 20 Jahre alt – zielstrebig auf unsere Pils-Kartons zu. Ich denke heute, dass sie die ganze Situation falsch eingeschätzt hatten. Da standen mitten im Gewühl Dutzende von Biercontainern und niemand, dem man dieses Getränkelager direkt hätte zuordnen können. Warum also nicht einfach mal zugreifen?
So kam es dann auch. Der eine nahm zwei Flaschen und sein Kumpel schnappte sich gleich einen ganzen Karton. Den klemmte er sich unter den Arm und wollte sich gerade aus dem Staub machen, als Kai den jungen Kerl stellte: »Hört mal zu, Freunde. Stellt das Bier wieder hin und verschwindet!« Ich bin mir heute noch sicher, dass die vier jungen Türken zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, wem sie da gerade Bier klauen wollten. Ich denke, sie sind nicht davon ausgegangen, dass die herumstehenden Dreier- und Vierergruppen sich untereinander kennen könnten und im Zweifel auch zusammenhalten würden. Deshalb machten die vier Jungs Fehler Nummer zwei: Sie spielten sich auf.
Kai war also ein » blödes Arschloch « und ein » beschissener Deutscher « . Und Kai hätte seine » Fresse halten « sollen. Das war die Ansage. Wie mir Kai später erzählte, habe er sich in diesem Moment lediglich noch überlegt, ob er die Faust einsetzen oder einem dieser Rotzlöffel nur eine Ohrfeige verpassen sollte. Er entschied sich für die flache Hand, holte ruckartig aus und versetzte dem Grünschnabel eine schallende Maulschelle, die den Jungen unverzüglich umhaute.
Und nun folgte Fehler Nummer drei: Die drei anderen Türken schätzten den Ernst der Lage noch immer falsch ein und versuchten, Kai anzugreifen. Einer unserer Hamburger Freunde ging sofort dazwischen und sprang einem der türkischen Jungs mit gestrecktem Bein in den Brustkorb. Der junge Kerl brach augenblicklich zusammen und schnappte panisch nach Luft. Allmählich kam Bewegung in unsere Gruppe.
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