Gewalt ist eine Loesung
immer nicht erfolgt. Die berühmte Ruhe vor dem Sturm – oder sollte ich erneut Glück haben?
Die Medien berichteten ausführlich und sprachen erstmals auch von ausländischen Hooligans. Beiden Seiten wurde zu gleichen Teilen die Schuld an den Krawallen gegeben. Eine Erkenntnis, die mir im Zweifel auch nicht weiterhelfen würde und mich auch nicht beruhigte. Erstaunlicherweise wurde von den Journalisten nicht hinterfragt, weshalb kaum Polizeikräfte vor Ort waren. Die einfachen Beamten im Bielefelder Präsidium äußerten hinter vorgehaltener Hand deutliche Kritik an der katastrophalen Einsatzplanung. Viele Polizisten sollen außer sich gewesen sein, dass der Polizeipräsident wohl nur aufgrund verletzter Eitelkeiten diesen Einsatz verbockt hatte. Gleichzeitig wurde aber auch gemunkelt, der Polizeipräsident habe als langjähriges, gut vernetztes Mitglied der Bielefelder SPD über seine Partei Einfluss auf die Berichterstattung der örtlichen Medien genommen und somit sämtliche Nachforschungen zu der Polizeistrategie im Keim erstickt. Aber auch das war für mich ein Nebenkriegsschauplatz. Ich hatte in jenen Tagen ganz andere Sorgen.
Die Geschichte musste aus meinem Kopf. Sie quälte und sie hemmte mich schon viel zu lange. Mir war bewusst, dass in Polizeikreisen über meine »Rolle« in diesem Bericht geredet wurde. Aber da es nach der Ausstrahlung keine weiteren Ermittlungen oder Vernehmungen gab, rechnete ich nicht mehr mit Schwierigkeiten. Die Fäden, die zu jener Zeit im Hintergrund gesponnen wurden, konnte ich nicht sehen. Aber die Schlinge lag schon um meinem Hals.
Eine Woche später trafen wir am Klosterplatz wieder auf unsere türkischen Gegner. Wir schauten uns in die Augen und nickten uns kurz zu. Unsere Widersacher hatten ihre Niederlage offensichtlich akzeptiert. Von da an gab es nie wieder eine Auseinandersetzung mit den Türken. Die Sache war geklärt. Wie damals im Schulbus. Erneut hatte sich bestätigt: Gewalt ist eine Lösung.
21. Gelbe Karte –
Ein Polizist vor dem Platzverweis
Die Versetzung in meine Heimatstadt lag acht Monate zurück. Bis dahin hatte ich ein wohlgehütetes Geheimnis. Ich war ein Fußball-Hooligan – ich war ein Polizist. Ich war Polizist und Hooligan. Hooligan-Polizist. Pooligan – Hooliganist. Manchmal wusste ich selbst nicht mehr, wo ich hingehörte. Aber es war ein Geheimnis. Mein Geheimnis und das meiner Jungs. Und nun? Vielleicht zwei Dutzend meiner engsten Polizeikollegen waren bis dahin über meine Freizeitaktivitäten informiert. Aber nach der Nacht auf dem Klosterplatz dürften fast alle der rund 1000 Bielefelder Polizisten über mein Doppelleben Bescheid gewusst haben.
Keiner von meinen befreundeten Kollegen hatte mit meinem ausgefallenen Hobby ein echtes Problem. Der Korpsgeist war stärker als die Dienstvorschriften oder das Strafgesetzbuch – zumindest so lange, wie sie mein Handeln für sich selbst noch rechtfertigen konnten. Diese Grenze schien ich noch nicht überschritten zu haben. Und manchmal hatte ich das Gefühl, dass der eine oder andere gern einmal ein Wochenende mit mir getauscht hätte. Nicht wenige hätten – ohne zu zögern – einfach mal ein paar Autonomen eine heftige Abreibung verpassen wollen. Aber für solch einmalige Aktionen wurde einem Polizisten keine Immunität zugesichert. Es war illegal, strafbar und hätte die Laufbahn kosten können. Was mir durchaus bewusst war.
Ich war kein schlechter Polizist. Es gab nichts, keinen einzigen Vorfall während meiner Dienstzeit, bei dem es etwas zu vertuschen gab. Ich war korrekt, entspannt und gerecht – Eigenschaften, die man nicht jedem Polizeibeamten zuschreiben konnte. Aber ich hatte eine Vergangenheit – und eine Gegenwart, die mit meinem Beruf nicht zu vereinbaren war.
Mir kam immer mal wieder zu Ohren, dass innerhalb der Bielefelder Behörde unzählige Geschichten und Gerüchte über mich kursierten. Aber ein Großteil der Kollegen konnte diese Geschichten keinem Gesicht zuordnen, denn es existierte kein Foto von mir in den Unterlagen des Präsidiums. Ich fuhr immer noch mit meinem alten Dienstausweis Streife und beabsichtigte, dies auch nicht zu ändern.
Es gab nur einen Menschen, dem ich mich damals anvertraute: Frank. Wir sprachen beide offen miteinander. Geheimnisse gab es keine. Mein seelischer Druck nahm in jenen Wochen ständig zu. Ich musste immer auf der Hut sein. Kaum wurde ich einem neuen Kollegen vorgestellt, musste ich mich schon wieder fragen, ob dieser mich
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