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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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ohne dass es meinem geschulten Polizeiblick aufgefallen wäre, und dann haben sie gefilmt. Alles, bis die Straßenschlacht tief in der Nacht ein Ende fand. Für mich sollte sie gerade erst beginnen …
    Die Klosterplatz-Krawalle schlugen hohe Wellen. Bundesweit berichteten die Medien von der gewalttätigen Aufstiegsfeier der Arminia. Die Zahl der Verletzten wurde mit 55 angegeben. Und am folgenden Abend sollte das gewaltige Echo auch mich erreichen. Mein Telefon klingelte unaufhörlich. Mehrere Jungs teilten mir aufgeregt mit, dass sie mich in TV-Berichten gesehen hätten. Die »Aktuelle Stunde« des WDR hatte ausführlich über die Krawalle berichtet und dabei auf das Bildmaterial des Kameramanns zurückgegriffen, den ich übersehen haben musste. Die Jungs teilten mir mit, dass klar zu erkennen sei, wie ich über den Klosterplatz in Richtung Schlägerei ging, das Bild aber plötzlich stoppe, da dem Reporter offenbar die Kamera aus der Hand geschlagen wurde.
    Ich war restlos bedient. Wie konnte mir das nur passieren? Mal wieder war ich bei sämtlichen Kontrollen durchgeschlüpft. Meine Personalien wurden in dieser chaotischen Nacht nicht aufgenommen, ich war nicht festgenommen worden – und dann gerate ich in die Fänge eines Kameramannes. Nach so vielen Jahren ein solches Missgeschick.
    In den folgenden Tagen sprachen mich unzählige Leute auf diesen Filmbericht an und ich konnte gar nicht fassen, wie viele Menschen offenbar den WDR einschalteten. Fast jeder, der mich kannte, sprach von meinem TV-Auftritt, nur vonseiten der Polizei kam gar nichts. Keine Andeutungen, keine Anspielungen – kein Rapport. Aber das sollte sich zwei Wochen später ändern. Ich traf im Flur des Polizeipräsidiums zufällig auf den szenekundigen Beamten Gerd Volkerts. Er sah mich an und kam direkt auf den Punkt: »Du bist auf dem Video der Klosterplatz-Krawalle zu sehen!«
    Alarmstufe Rot! Was hatte ich denn erwartet? Es wäre naiv gewesen, zu glauben, dass ausgerechnet das Polizeipräsidium Bielefeld geschlossen den WDR-Bericht nicht gesehen hatte. Aber gehofft hatte ich es doch. Volkerts wartete auf eine Erklärung. Meine Gedanken rasten. Wie viel war auf diesem Film tatsächlich zu sehen? Der Beitrag war bestimmt geschnitten und gekürzt. Aber was würden die Originalaufnahmen hergeben, die garantiert schon vom Präsidium angefordert waren?
    Ich versuchte, gelassen zu wirken: »Ja, ich bin da wohl zu sehen und 200 andere Leute auch. Ich war eben neugierig.«
    Ich spürte sofort, dass er mir die Geschichte nicht abnahm. »Ach ja, und was hast du gesehen?«, fragte er mit höhnischer Stimme. »Nichts! Was hätte ich bei dem Chaos auch erkennen können? Außerdem bin ich kurz danach sofort verschwunden.« Ich musste etwas tun. Einfach nur vor ihm zu stehen wie ein kleiner Junge, der beim Ladendiebstahl erwischt worden war, war zu wenig. Ich musste versuchen, ihn in die Defensive zu bringen. »Wie kommt es eigentlich, dass keine Polizei da war? Wo war die Hundertschaft?« Seine Miene verdunkelte sich noch mehr. Er schüttelte den Kopf. »Da ist eine Menge schiefgelaufen.« Weg! Ich musste schleunigst weg! »Lass uns ein anderes Mal weiterreden«, sagte ich ihm, »ich bin etwas in Eile, mein Kollege wartet schon.«
    Ohne mich umzusehen, konnte ich fühlen, wie sich seine Blicke in meinen Rücken bohrten. Ich war fällig, das war mir nun klar. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie mich hochnehmen würden. Meinen Dienst verrichtete ich in den folgenden Tagen mit dem entsprechenden Unbehagen. Im Grunde musste ich in jedem Augenblick damit rechnen, dass etwas passieren würde. Weitere Nachfragen, prüfende Blicke oder gar eine offizielle Vernehmung. Mittlerweile sickerte auch durch, dass der WDR-Beitrag in Polizeikreisen die Runde gemacht hatte und dass in Dutzenden von Gesprächen mein Name gefallen war.
    Ich wusste nicht, ob ich mir das Ganze eingebildet hatte, aber ich wurde den Eindruck nicht los, dass mir einige Kollegen missmutiger und ablehnender entgegentraten.
    In der Filmsequenz war nicht zu erkennen, ob ich mich an den Ausschreitungen beteiligt hatte. Ich war lediglich zu sehen, wie ich vergleichsweise ruhig und gelassen über den Klosterplatz schlenderte. Dass ich mitten in das Epizentrum der Schlägerei hineingelaufen war, dürfte nur schwer erkennbar gewesen sein. Aber es gab ja noch den ungeschnittenen Film, und was darauf zu sehen war, entzog sich meiner Kenntnis. Eine offizielle Reaktion meines Arbeitgebers war noch

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