Gewalt ist eine Loesung
ersten Mal teilen. Das, was ich da gerade gesehen hatte, war einfach zu viel. Dieser Gewaltexzess von Timo berührte nicht nur den Polizisten in mir – er traf mich als Mensch. Ich bewunderte diesen Asiaten. Er hatte Courage gezeigt und sich schützend vor einen Menschen gestellt, den er noch nicht einmal kannte. Und dann hatte er Mann gegen Mann gekämpft. So wie er es kannte und so, wie er es vermutlich gelernt hatte. Und dabei war er auf einen Gegner gestoßen, der keine Grenzen kannte. Auf einen von uns!
Das war Mallorca. Das war ich – das waren meine Jungs. Gerade in diesen Tagen hoffte ich mehr denn je, dass ich die Aufnahme zum SEK bald schaffen würde. Mein Aufstieg – und mein Ausstieg.
19. Ergänzungsspieler –
Ein Gewalttäter Sport
Ich fuhr weiter Streife in Bielefeld. Das war mein Job und daran konnte ich einstweilen nichts ändern. Ich hoffte noch immer auf einen Wechsel zum SEK, aber der nächste Aufnahmetest war noch ein paar Monate hin. Bei meinem Dienst in meiner Heimatstadt kam ich näher an die Bürger heran als bei den vergleichsweise anonymen Großeinsätzen beim Grenzschutz oder der Landespolizei.
Ich war gewissermaßen an der alltäglich-wahnsinnigen Gesellschaftsfront. Da war der gut situierte Arzt mit seinen Nachbarschaftsstreitereien, die Supermarktverkäuferin, die angeblich gestohlen hatte, bis hin zum szenigen Gastronomen, der mit Koks erwischt wurde. Bielefeld war ein Dorf mit 320.000 Einwohnern. Jeder kannte jeden – zumindest über zwei Ecken – und ständig geisterten Geschichten und Gerüchte durch die Stadt, die natürlich auch vor Polizeikreisen nicht haltmachten.
Und darunter waren auch Geschichten über unsere Fußball-Aktivitäten. Was nicht verwundern durfte, schließlich lebten wir unser Hobby vergleichsweise transparent und exzessiv aus. Da ich bis vor Kurzem noch außerhalb von Bielefeld meinen Dienst versehen hatte, war es nicht so sehr bekannt, dass der »Hooligan« Schubert sein Geld als Polizeibeamter verdiente. Ich hatte meinen Job zwar nie verschwiegen, gehörte aber auch nicht zu der Sorte Polizist, die damit hausieren ging. Und von denen gab es bei der Polizei genug. Ich hielt mich bei der Beschreibung meines Jobs verständlicherweise zurück.
Die meisten Bielefelder, die mich nur flüchtig kannten, brachten mich mit Arminia Bielefeld, Schlägereien und Party-Orgien in Verbindung. Und so musste ich infolge meiner Versetzung nach Bielefeld in einige erstaunte und verwirrte Gesichter blicken, wenn ich zum ersten Mal in Uniform in einem Streifenwagen gesehen wurde. Die Frage »Wie? Du bist Polizist?!« musste ich mir in den ersten Wochen sehr oft anhören. Aber mehr kam dann auch nicht. Die empörten Bürgerbriefe an die Polizeibehörde, dass ein stadtbekannter Schläger und Hooligan doch nicht für Recht und Ordnung sorgen könne, blieben zu meinem Erstaunen aus.
Gleichwohl fühlte ich mich wie auf einem Pulverfass. Gerade bei den Wochenend-Diensten musste ich mich ständig fragen, ob ich nicht doch einmal in eine Situation geraten könnte, in der ich es mit meinen Freunden der Blue Army zu tun bekäme. Bis eines Samstagnachts ein Streifenwagen mit der Kennung 11/32 zu einer Familienstreitigkeit beordert wurde. Über Funk hieß es, ein 20-Jähriger zerlege zu Hause das gesamte Wohnungsmobiliar und drohe, den neuen Freund seiner Mutter zu verprügeln. Nur wenig später dann der nächste Funkspruch. Wagen 11/32 forderte Verstärkung an – aus dem Hintergrund waren hysterische Schreie zu hören. Ich sagte sofort unsere Unterstützung zu, wies aber darauf hin, dass wir knapp fünf Minuten bis zum Einsatzort brauchen würden. Und nur kurze Zeit später schaltete sich die Leitstelle ein. Man habe den Störer überprüft, es handle sich um einen »Gewalttäter Sport«. Um einen mit dem Zusatz »gewalttätig«. Wir sollten uns beeilen.
Ein Stromschlag durchfuhr meinen Körper. Das war der Einsatz, vor dem ich mich seit Wochen schon gefürchtet hatte. Unzählige Fragen zuckten durch meinen Kopf. Wie heißt der Kerl? Sagt dir der Name etwas? Wer ist das? Ist er einer von uns? Wie wird er auf den Polizisten in mir reagieren? Wird er mich aus Wut und Enttäuschung meinen Kollegen als Schläger-Kumpan verraten? Wer konnte denn schon wissen, was der Typ in seinem Alkoholrausch und seiner Raserei alles von sich geben würde?
Ich durfte mir keinen Fehler erlauben, war mir aber auch bewusst, dass ich nur sehr wenig Einfluss auf den bevorstehenden Einsatz haben
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