Gewalt
angegriffen; alle diese Vorfälle konnte man im landesweiten Fernsehen verfolgen.
Nach 1965 war die Opposition gegen die Bürgerrechtsbewegung im Schwinden begriffen, Ausschreitungen gegen Farbige waren nur noch eine entfernte Erinnerung, und der Terrorismus gegen Farbige wurde von keiner einflussreichen Vereinigung mehr unterstützt. In den 1990 er Jahren fand ein Bericht über Brandstiftungen in Kirchen der Farbigen im Süden große Aufmerksamkeit, aber er stellte sich als zweifelhaft heraus. [1052] Bei aller Öffentlichkeitswirksamkeit sind Hassverbrechen in den heutigen Vereinigten Staaten glücklicherweise ein seltenes Phänomen.
Auch in anderen Staaten und bei anderen ethnischen Gruppen sind Lynchmorde und Rassenunruhen zurückgegangen. Die Anschläge des 11 . September sowie die Bomben von London und Madrid waren genau jene Form symbolischer Provokation, die in früheren Jahrzehnten überall in der westlichen Welt zu islamfeindlichen Unruhen hätten führen können. Jetzt jedoch gab es solche Unruhen nicht, und der 2008 erschienene Bericht einer Menschenrechtsorganisation über Gewalt gegen Muslime enthält keinen einzigen eindeutigen Fall, in dem islamfeindlicher Hass im Westen zum Tode geführt hätte. [1053]
Horowitz nennt für das Verschwinden tödlicher ethnischer Unruhen in der westlichen Welt mehrere Gründe. Einer ist die Regierungsführung. Bei aller Entschlossenheit, ihre Opfer anzugreifen, sind Aufständische auf die eigene Sicherheit bedacht und wissen genau, wann die Polizei ein Auge zudrückt. Die sofortige Durchsetzung der Gesetze kann Unruhen dämpfen und den Kreislauf der Rache zwischen Gruppen im Keim ersticken, aber die Vorgehensweisen müssen im Voraus durchdacht werden. Da die örtlichen Polizeibeamten häufig zu derselben ethnischen Gruppe gehören wie die Täter und möglicherweise mit ihrem Hass sympathisieren, ist eine professionelle nationale Miliz leistungsfähiger als die Polizisten von nebenan. Und da eine Bereitschaftspolizei unter Umständen mehr Todesfälle verursacht, als sie verhindert, muss sie so ausgebildet werden, dass sie Zusammenrottungen mit der geringstmöglichen Gewaltanwendung zerstreuen kann. [1054]
Schwerer fassbar ist die zweite Ursache für das Verschwinden der tödlichen ethnischen Unruhen: eine wachsende Abscheu vor Gewalt und vor dem geringsten Anflug einer Geisteshaltung, die zu Gewalt führen könnte. Wie bereits erwähnt wurde, liegt der wichtigste Risikofaktor für Völkermord und tödliche ethnische Unruhen in einer essentialistischen Einstellung, die Mitglieder einer Gruppe als empfindungslose Hindernisse, abstoßendes Gewürm oder habgierige, bösartige oder ketzerische Bösewichter einordnet. Solche Einstellungen können in eine Form der Regierungstätigkeit einfließen, die Daniel Goldhagen als eliminatorisch und Barbara Harff als ausschließend bezeichnet. Umgesetzt werden kann eine solche Politik als Apartheid oder erzwungene Assimilation, im Extremfall auch durch Deportation oder Völkermord. Wie Ted Robert Gurr nachweisen konnte, ist eine diskriminierende Politik selbst dann, wenn sie nicht ins Extrem geht, ein Risikofaktor für gewalttätige ethnische Konflikte wie Bürgerkrieg und tödliche Unruhen. [1055]
Nun stellen wir uns einmal eine Politik vor, die genau auf das Gegenteil von Ausschluss angelegt ist. Dann werden nicht nur sämtliche Vorschriften, die für eine ethnische Minderheit eine unvorteilhafte Behandlung vorsehen, aus den Gesetzbüchern getilgt, sondern man tut genau das Gegenteil und schreibt eine gegen Ausschluss und Beseitigung gerichtete Politik vor: Integration von Schulen, Bildungsförderung, Quoten für Rassen oder ethnische Minderheiten und eine Bevorzugung in Behörden, Wirtschaft und Bildung. Solche Maßnahmen werden allgemein als
Antidiskriminierungspolitik
bezeichnet, in den Vereinigten Staaten laufen sie unter dem Begriff
affirmative action
. Ganz gleich, ob ihnen nun das Verdienst gebührt, in den Industrieländern einen Rückfall in Völkermord und Pogrome verhindert zu haben: Offensichtlich sind sie als eine Art fotografisches Negativ zu der Ausschlusspolitik angelegt, die in der Vergangenheit solche Gewalttaten verursacht oder toleriert hat. Und sie werden auf der ganzen Welt von einer Welle der Popularität getragen.
In einem Bericht mit dem Titel »Der Rückgang der ethnisch-politischen Diskriminierung 1950 – 2003 « analysierten die Politikwissenschaftler Victor Asal und Amy Pate eine Datensammlung, die
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