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Gewalt

Gewalt

Titel: Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Pinker
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zwei Drittel angestiegen, und 2008 waren es fast 80  Prozent. Bei manchen Fragen, beispielsweise der, ob Farbige Zugang zu allen Berufen haben sollten, war der Anteil der rassistischen Antworten schon Anfang der 1970 er Jahre so niedrig, dass die Umfrageinstitute sie aus ihren Fragebögen strichen. [1062]
    Abbildung  7 – 7 :
    Einstellung Weißer in Bezug auf Mischehen in den Vereinigten Staaten von 1958 bis 2008
    Auch Einstellungen, die zu Entmenschlichung und Dämonisierung führen, sind im Rückgang begriffen. Unter weißen Amerikanern äußerten sich solche Überzeugungen in der Geschichte vor allem in Form des Vorurteils, Afroamerikaner seien fauler und weniger intelligent als Weiße. In den letzten beiden Jahrzehnten ist jedoch der Anteil der Amerikaner, die sich zu solchen Überzeugungen bekennen, gesunken; heute ist der Prozentsatz derer, nach deren Ansicht die Ungleichheit ein Produkt unterschiedlicher Fähigkeiten ist, zu vernachlässigen (Abbildung  7 - 8 ).
    Abbildung  7 – 8 :
    Unvorteilhafte Meinungen über Afroamerikaner von 1977 bis 2006
    Auch die religiöse Intoleranz wird stetig geringer. Im Jahr 1924 stimmten 91  Prozent der Schüler an einer Highschool im mittleren Westen der Aussage »das Christentum ist die einzig wahre Religion, und alle Menschen sollten dazu bekehrt werden« zu. Im Jahr 1980 lag dieser Anteil nur noch bei 38  Prozent, und 1996 bejahten 62  Prozent der Protestanten und 74  Prozent der Katholiken die Aussage »alle Religionen sind gleich gut«, eine Meinung, die ihre Vorfahren noch eine Generation zuvor verblüfft hätte, von den Menschen im 16 . Jahrhundert ganz zu schweigen. [1063]
    Die Stigmatisierung aller Einstellungen, die nach der Entmenschlichung oder Dämonisierung von Minderheitengruppen riechen, geht weit über die Ergebnisse von Meinungsumfragen hinaus. Sie hat in der westlichen Welt zu tiefgreifenden Veränderungen von Kultur, Regierungsführung, Sport und Alltagsleben geführt. Seit über 50  Jahren ist man in den Vereinigten Staaten damit beschäftigt, sich von der rassistischen Bilderwelt zu trennen, die sich in der volkstümlichen Kultur angesammelt hatte. Zuerst verschwanden erniedrigende Darstellungen von Afroamerikanern wie Musikaufführungen mit schwarzen Gesichtern, Fernsehserien wie
Amos ’n’ Andy
und
Little Rascals
, Filme wie
Song of the South
(dt.
Onkel Remus’ Wunderland
) von Walt Disney und viele Bugs-Bunny-Zeichentrickfilme. [1064] Auch Karikaturen in Firmenlogos, Werbung und Gartenfiguren sind verschwunden. Den Wendepunkt bildete dabei die Blütezeit der Bürgerrechtsbewegung, und das Tabu wurde schnell auf andere ethnische Gruppen ausgeweitet. Ich kann mich noch erinnern, wie 1964 eine Produktlinie mit Getränkepulvern namens »Funny Face« auf den Markt kam. Die Geschmacksrichtungen hießen Goofy Grape, Loud Mouth Lime, Chinese Cherry oder Injun’ Orange und waren jeweils mit einer grotesken Karikatur verziert. Ein schlechter Zeitpunkt. Schon nach zwei Jahren hatten sich die beiden letzten in rassefreies Choo Choo Cherry und Jolly Olly Orange verwandelt. [1065] Noch heute werden wir Zeugen der Umbenennung angesehener Sportmannschaften, deren Namen auf Klischeevorstellungen von amerikanischen Ureinwohnern zurückgehen; der jüngste Fall waren die Fighting Sioux der University of North Dakota. Abwertende Witze über Rassen und ethnische Gruppen, beleidigende Bezeichnungen für Minderheitengruppen und naive Überlegungen über angeborene Rassenunterschiede sind in der Hauptrichtung des Geisteslebens tabu und bedeuteten bereits für die Karriere mehrerer Politiker und Medienvertreter das Ende. Natürlich findet sich in den Jauchegruben des Internets und an den Rändern der politischen Rechten nach wie vor eine Menge gehässiger Rassismus, aber der ist scharf von der kulturellen und politischen Hauptrichtung abgegrenzt. So lobte beispielsweise Trent Lott, der republikanische Minderheitsführer im Senat, noch 2002 die Präsidentschaftskandidatur von Strom Thurmond aus dem Jahr 1948 , obwohl dieser zu jener Zeit ein bekennender Befürworter der Rassentrennung war. Nach einem Sturm der Entrüstung aus seiner eigenen Partei musste Lott seinen Hut nehmen.
    Der Feldzug zur Ausrottung aller Vorläufer von Einstellungen, die zu rassistischer Gewalt führen können, definiert heute die Grenzen des Denkbaren und Sagbaren. Auf die Rasse gegründete Bevorzugung und Kontingente lassen sich in einer Gesellschaft, die sich dazu bekennt, Menschen

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