Gewalt
an einem Pfahl in die Höhe, so dass die Vögel daran picken konnten, während das Opfer langsam an Blutungen und Schock starb. (Katharinas mit Spitzen besetztes Rad ziert das Wappen des St. Catherine’s College in Oxford.)
Die heilige Barbara, Namenspatronin der hübschen kalifornischen Stadt, wurde kopfüber an den Fußgelenken aufgehängt. Dann rissen Soldaten ihren Körper mit eisernen Haken auseinander, schnitten ihr die Brüste ab, verbrannten die Wunden mit heißen Eisen und schlugen ihr mit stachelbesetzten Knüppeln den Kopf ein. Und dann gibt es den heiligen Georg, den Schutzheiligen Englands, Palästinas, Georgiens, der Kreuzritter und der Pfadfinder. Da Gott ihn ständig wiederbelebte, wurde Georg viele Male zu Tode gefoltert. Man setzte ihn mit Gewichten an den Beinen rittlings auf eine scharfe Messerschneide, röstete ihn über dem Feuer, stach ihm durch die Füße, zerschmetterte ihn auf einem mit Dornen besetzten Rad, schlug ihm 60 Nägel in den Kopf, schmolz ihm mit Kerzen das Fett aus dem Rücken und sägte ihn in zwei Teile.
Die lustvoll ausgemalten Märtyrergeschichten sollten nicht dazu dienen, Empörung gegen die Folter zu schüren; vielmehr war es ihr Zweck, die Verehrung für die Tapferkeit der Märtyrer zu stärken. Wie bei Jesus, so galt Folter auch hier als etwas sehr Gutes. Die Heiligen freuten sich auf ihre Qualen, denn Leiden in diesem Leben wurde mit Glückseligkeit im nächsten belohnt. Der christliche Dichter Prudentius schrieb über einen der Märtyrer: »Die Mutter war anwesend, starrte alle Vorbereitungen für den Tod ihres geliebten Sohnes an und zeigte keine Anzeichen von Gram; vielmehr freute sie sich jedes Mal, wenn die Pfanne, die über dem Olivenholz heiß zischte, ihr Kind röstete und versengte.« [34] Laurentius wurde zum Schutzheiligen der Komödianten, weil er noch auf dem Bratrost zu seinen Peinigern sagte: »Diese Seite ist gar, dreht mich um und nehmt einen Bissen.« Die Folterknechte waren einfache Männer und Nebenfiguren; wenn sie in ein schlechtes Licht gerieten, dann nur deshalb, weil sie
unsere
Helden folterten, aber nicht, weil sie überhaupt die Folter anwandten.
Auch als gerechte Bestrafung für Sünder wurde die Folter angepriesen. Allgemein bekannt sind die sieben Todsünden, die von Papst Gregor I. im Jahr 590 u.Z. in ihrer Standardform formuliert wurden. Weniger vertraut sind meist die Strafen, die in der Hölle dafür vorgesehen sind: [35]
Stolz: Aufs Rad flechten
Neid: In gefrorenem Wasser versenken
Völlerei: Einsperren mit Ratten, Kröten und Schlangen
Wollust: Verbrennen in Feuer und Schwefel
Zorn: bei lebendigem Leib zerstückeln
Habgier: in Kessel mit siedendem Öl tauchen
Trägheit des Herzens: in eine Schlangengrube sperren
Die Dauer dieser Strafen war natürlich ewig.
Indem das frühe Christentum die Grausamkeit für heilig erklärte, schuf es die Voraussetzung für mehr als ein Jahrtausend der systematischen Folterungen im christlichen Europa. Wer Ausdrücke wie
auf dem Scheiterhaufen brennen, die Füße im Feuer, auf die Folter spannen, aufhängen und vierteilen, ausnehmen, die Haut abziehen, plattmachen, Daumenschrauben anlegen, die Luft abschnüren, innerlich kochen
oder
eiserne Jungfrau
(eine hohle, mit Scharnieren ausgestattete Statue, die innen mit Spitzen besetzt ist – mit der englischen Bezeichnung
iron maiden
später der Name einer Heavy-Metal-Band) versteht, der kennt einen kleinen Teil der brutalen Methoden, mit denen Ketzer und andere im Mittelalter und der frühen Neuzeit behandelt wurden.
Während der spanischen Inquisition gelangten die Funktionäre der Kirche zu dem Schluss, die Bekehrung Tausender früherer Juden habe nicht stattgefunden. Um die Konvertiten zum Eingeständnis ihrer heimlichen Abtrünnigkeit zu zwingen, fesselten die Inquisitoren ihnen die Arme hinter dem Rücken, zogen sie an den Handgelenken in die Höhe und ließen sie ruckartig fallen, so dass die Sehnen rissen und die Arme ausgekugelt wurden. [36] Viele andere wurden bei lebendigem Leib verbrannt; das gleiche Schicksal erlitten Ketzer wie Michael Servetus, der die Dreifaltigkeit in Frage gestellt hatte, Giordano Bruno, der (unter anderem) glaubte, dass die Erde um die Sonne kreist, und William Tyndale, der die Bibel ins Englische übersetzt hatte. Galilei, vielleicht das berühmteste Opfer der Inquisition, kam besser davon: Man zeigte ihm nur die Folterinstrumente (insbesondere die Folterbank), und dann gab man ihm die Gelegenheit, zu
Weitere Kostenlose Bücher