Gewalt
absehbarer Zukunft nicht an der Spitze aller Nuklearmächte stehen werden – von stillenden Müttern ganz zu schweigen –, werden wir nie erfahren, ob Yamaguchi mit seinem Rezept recht hatte. An seiner Spekulation jedoch, eine stärker weibliche Welt sei eine friedlichere Welt, ist sicher etwas dran.
Dass frauenfreundliche Werte die Gewalt vermindern, ist schon wegen des psychologischen Erbes der grundlegenden biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu erwarten: Für Männer besteht ein größerer Anreiz, um den sexuellen Zugang zu Frauen zu konkurrieren, für Frauen dagegen ist der Anreiz größer, sich von Risiken fernzuhalten, die ihre Kinder zu Waisen machen können. Nullsummen-Konkurrenz – ob als Wettbewerb um Frauen in Stammes- und Rittergesellschaften oder als Wettbewerb um Ehre, Status, Dominanz und Ruhm in einem moderneren Umfeld – ist stärker eine Domäne der Männer als der Frauen. Angenommen, im Pazifistendilemma besteht der Lohn für Sieg und der Preis der Niederlage zum Teil – beispielsweise zu 80 Prozent – aus der Stärkung oder Verletzung des männlichen Egos. Wenn hier die Wahl nun von weiblichen Akteuren getroffen wird, vermindert sich der psychische Lohn entsprechend.
Abbildung 10 - 4 :
Wie Verweiblichung das Pazifistendilemma löst
Jetzt ist Frieden reizvoller als Sieg, und Krieg ist kostspieliger als die Niederlage. Damit behält die pazifistische Alternative mühelos die Oberhand. Noch dramatischer würde die Umkehrung ausfallen, wenn wir das Kriegsfeld in dem Diagramm so anpassen, dass sich in ihm für Frauen ein höherer Preis für gewalttätige Konflikte widerspiegelt als für Männer.
Natürlich kommt eine Verschiebung vom männlichen zum weiblichen Einfluss in den Entscheidungsprozessen nicht ausschließlich von außen. In einer Gesellschaft, in der jeden Augenblick raublustige Invasoren einfallen können, hat eine Niederlage unter Umständen für beide Geschlechter einen katastrophalen Preis, und alles andere als wilde, kriegerische Werte wäre Selbstmord. Vielleicht ist ein Frauensystem ein Luxus, dessen sich eine Gesellschaft nur dann erfreuen kann, wenn sie vor räuberischen Invasionen relativ sicher ist. Eine Verschiebung der Machtverhältnisse in Richtung der Fraueninteressen kann aber auch durch äußere Kräfte in Gang gesetzt werden, die nichts mit Gewalt zu tun haben. Eine solche Kraft ist in traditionellen Gesellschaften die Form der Lebensführung: In Gesellschaften, in denen Frauen in der Familie, in die sie hineingeboren wurden, unter den Fittichen ihrer Väter und Brüder bleiben, während die Ehemänner eine Art Besucher sind, geht es ihnen besser als in Gesellschaften, in denen sie zur Familie des Ehemannes ziehen und von diesem und seinen Verwandten beherrscht werden (Kapitel 7 ). In modernen Gesellschaften handelt es sich bei den äußeren Kräften unter anderem um technologische und wirtschaftliche Errungenschaften, durch die Frauen von der ständigen Kinderversorgung und häuslichen Pflichten befreit wurden: im Laden gekaufte Lebensmittel, kräftesparende Haushaltsgeräte, Empfängnisverhütung, eine längere Lebenserwartung und der Übergang zur Informationswirtschaft.
In Gesellschaften, ob traditionell oder modern, in denen Frauen größere Anteile haben, existiert in der Regel weniger organisierte Gewalt (Kapitel 8 ). Dies erkennt man sehr deutlich an Stämmen und Stammesfürstentümern, die buchstäblich in den Krieg ziehen, um Frauen zu entführen oder frühere Entführungen zu rächen, wie beispielsweise bei den Yanomamo oder den Griechen zur Zeit Homers (Kapitel 1 und 2 ). Das Gleiche beobachtet man aber auch in Gesellschaften unserer Zeit – man denke nur an den Kontrast zwischen dem geringen Ausmaß politischer und juristischer Gewalt in den stark feministisch geprägten Demokratien Westeuropas und dem großen Umfang in den burkatragenden Scharia-Staaten des islamischen Afrika und Asien, in denen Frauen an den Genitalien verstümmelt und Ehebrecherinnen gesteinigt werden (Kapitel 6 ).
Der weibliche Einfluss muss nicht unbedingt darin bestehen, dass Frauen ganz buchstäblich bei Entscheidungen, ob man in den Krieg zieht, stärker mitreden. Eine Gesellschaft kann sich auch immer weiter von einer Kultur der männlichen Ehre entfernen, die gewalttätige Vergeltung für Beleidigungen befürwortet, Jungen durch körperliche Bestrafung abhärtet und Kriegsruhm bejubelt (Kapitel 8 ). Das war der Trend in den Demokratien
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