Gewalt
geben, die den Austausch erleichtert – Verkehrswege, Finanzdienstleistungen, die Führung von Aufzeichnungen und die Möglichkeit, Verträge durchzusetzen. Wenn Menschen den Anreiz zum freiwilligen Austausch aufgenommen haben, sind sie veranlasst, sich jeweils in den anderen hineinzuversetzen und so das beste Abkommen auszuhandeln (»der Kunde ist König«); das wiederum wird in ihnen nicht zwangsläufig warme Gefühle entstehen lassen, es wird sie aber dazu bringen, die Interessen des anderen respektvoll zu berücksichtigen.
In der Theorie von Norbert Elias waren der Leviathan und der sanfte Handel die beiden Triebkräfte des europäischen Zivilisationsprozesses (Kapitel 2 ). Seit dem Spätmittelalter bestraften die wachsenden Königreiche nicht nur Plünderungen und eine Kleinstaatenjustiz, sondern sie sorgten auch für eine Infrastruktur des Austauschs mit Geld und der Durchsetzung von Verträgen. Diese Infrastruktur machte den Handel in Verbindung mit technischen Fortschritten wie Straßen und Uhren sowie der Beseitigung von Tabus im Hinblick auf Zinsen, Innovationen und Konkurrenz attraktiver, und in der Folge traten Kaufleute, Handwerker und Bürokraten an die Stelle der kriegerischen Ritter. Gestützt wird die Theorie einerseits durch historische Befunde, wonach der Handel seit dem Spätmittelalter expandierte, und andererseits durch die Erkenntnisse der Kriminologen, wonach der Anteil der gewaltsamen Todesfälle zurückging (Kapitel 9 und 3 ).
Der Handel zwischen den größeren Gebilden wie Städten und Staaten wurde durch hochseetüchtige Schiffe, neue Finanzinstitutionen und den allmählichen Verzicht auf eine merkantilistische Politik gestärkt. Diese Entwicklungen wurden zum Teil darauf zurückgeführt, dass kriegslustige imperialistische Staaten wie Schweden, Dänemark, die Niederlande und Spanien im 18 . Jahrhundert domestiziert wurden und sich zu Handelsstaaten wandelten, die weniger Ärger machten (Kapitel 5 ). Zwei Jahrhunderte später war die Verwandlung Chinas und Vietnams von autoritär-kommunistischen zu autoritär-kapitalistischen Staaten von einer abnehmenden Bereitschaft begleitet, jene umfassenden ideologischen Kriege zu führen, die beide Staaten in den vorangegangenen Jahrzehnten zu den gefährlichsten Regionen der Welt gemacht hatten (Kapitel 6 ). Auch in anderen Teilen der Welt dürfte die Verschiebung der Werte – weg vom nationalen Ruhm und hin zum Geldverdienen – dazu beigetragen haben, streitlustigen revanchistischen Bewegungen den Wind aus den Segeln zu nehmen (Kapitel 5 und 6 ). Teilweise war diese Verschiebung sicher eine Folge der Lockerung von Ideologien, die zunehmend als moralisch bankrott galten, ein anderer Faktor war aber wahrscheinlich auch die Verführung durch die lukrativen Belohnungen einer globalisierten Wirtschaft.
Für einen solchen zeitlichen Ablauf sprechen auch quantitative Studien. Als sich in den Nachkriegsjahrzehnten der Lange Frieden und der Neue Frieden entwickelten, stieg der internationale Handel steil an, und wie wir bereits erfahren haben, kreuzen Staaten, die miteinander Handel betreiben, unter ansonsten gleichen Voraussetzungen seltener die Klingen (Kapitel 5 ). Ebenso haben wir bereits erfahren, dass Staaten, die der Weltwirtschaft aufgeschlossener gegenüberstehen, seltener zum Schauplatz von Völkermord und Bürgerkrieg werden (Kapitel 6 ). In die andere Richtung neigen Regierungen, die den Wohlstand ihrer Staaten auf die Förderung von Öl, Bodenschätzen und Diamanten gründen, statt Mehrwert durch Handel zu erzeugen: Sie verfallen häufiger in Bürgerkriege (Kapitel 6 ).
Für die Theorie des sanften Handels sprechen nicht nur Zahlen aus internationalen Datenbanken, sondern sie steht auch im Einklang mit einem Phänomen, das in der Anthropologie schon seit langem bekannt ist: Viele Kulturkreise unterhalten aktive Handelsnetzwerke, und das auch dann, wenn es sich bei den ausgetauschten Gütern um nutzlose Geschenke handelt; der Grund: Sie wissen, dass es dazu beiträgt, den Frieden zu bewahren. [1943] Dies ist eine der Erkenntnisse aus den ethnographischen Aufzeichnungen, derentwegen Alan Fiske und seine Mitarbeiter die Vermutung äußerten, dass Menschen sich in einer Beziehung der Herstellung von Gleichheit oder der Marktpreisbildung durch gegenseitige Verpflichtungen gebunden fühlen und sich deshalb nicht so leicht gegenseitig entmenschlichen wie in einer Nullbeziehung oder einer unsozialen Beziehung (Kapitel 9 ).
Im Gegensatz zu
Weitere Kostenlose Bücher