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Gewalt

Gewalt

Titel: Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Pinker
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Überfällen und Fehden um den Faktor 5 (Kapitel 2 ). Und als die Lehensgebiete Europas sich zu Königreichen und souveränen Staaten verbanden, führte die gefestigte Durchsetzung von Gesetzen dazu, dass die Mordquote nochmals um den Faktor 30 sank (Kapitel 3 ). In verbliebenen Regionen der Anarchie, die außerhalb der Reichweite von Regierungen lagen wie die Rand- und Gebirgsregionen Europas sowie das Neuland im Süden und Westen Nordamerikas, blieb die gewalttätige Ehrenkultur erhalten (Kapitel 3 ). Das Gleiche gilt für Nester der Anarchie in der sozioökonomischen Landschaft, so in den unteren Schichten, denen eine einheitliche Durchsetzung der Gesetze vorenthalten wird, und unter den Lieferanten von Schmuggelgut, die von ihr keinen Gebrauch machen können (Kapitel 3 ). Wird die Durchsetzung der Gesetze lückenhaft wie nach der schnellen Aufgabe von Kolonien, in gescheiterten Staaten oder Anokratien, bei Polizeistreiks und in den 1960 er Jahren, kann die Gewalt tosend zurückkehren (Kapitel 3 und 6 ). Inkompetente Regierungsführung erweist sich als einer der größten Risikofaktoren für Bürgerkriege und ist vielleicht der wichtigste Aspekt, durch den sich die durch Gewalt zerrissenen Entwicklungsländer von den friedlicheren Industriestaaten unterscheiden (Kapitel 6 ). Und wenn man Bürger aus einem Land mit einer schwachen Herrschaft der Gesetze ins Labor einlädt, schwelgen sie in unnötig boshaften Bestrafungen, durch die es am Ende allen schlechter geht (Kapitel 8 ).
    Sowohl der Leviathan in der von Hobbes in Auftrag gegebenen bildlichen Darstellung als auch Justitia in Form der Statuen vor Gerichtsgebäuden ist mit einem Schwert bewaffnet. Manchmal reichen aber auch Augenbinde und Waage aus. Menschen meiden Attacken auf ihren Ruf ebenso wie Angriffe auf körperliche Unversehrtheit und Bankkonten, und gelegentlich hat die sanfte Macht eines einflussreichen Dritten oder die Drohung mit Schande und Ächtung den gleichen Effekt wie Polizei oder Armeen, die mit Gewalt drohen. Ein entscheidendes Element ist diese sanfte Gewalt in der internationalen Arena: Die Weltregierung war immer ein Phantasieprodukt, aber mit dem Urteil Dritter, das vorübergehend durch Sanktionen oder symbolische Machtdemonstrationen unterlegt wird, kann man weit kommen. Zwei messbare Beispiele für den friedensstiftenden Effekt unbewaffneter oder nur leicht bewaffneter dritter Parteien sind das verminderte Kriegsrisiko zwischen Staaten, die internationalen Organisationen angehören, und die Wirkung internationaler Friedenstruppen (Kapitel 5 und 6 ).
    Wenn Leviathan aber das Schwert schwingt, hängt der Nutzen davon ab, dass er seine Macht umsichtig einsetzt und Strafen nur gegen die »Aggressionsfelder« im Entscheidungsraster seiner Untertanen einsetzt. Wenn Leviathan seine Strafen unterschiedslos auf alle vier Felder verteilt und seine Untertanen brutal behandelt, um an der Macht zu bleiben, kann er ebenso viel Schaden anrichten, wie er verhindert (Kapitel 2 und 4 ). Der Vorteil von Demokratien gegenüber Autokratien und Anokratien liegt darin begründet, dass eine Regierung in den richtigen Feldern des Entscheidungsrasters gerade so viel Macht ausübt, dass die pazifistische Alternative von einem betrüblicherweise unerreichbaren Ideal zu einer unwiderstehlichen Wahlmöglichkeit wird.

Sanfter Handel
    Die Erkenntnis, dass ein Austausch von Vorteilen die Nullsummen-Kriegsführung in einen gegenseitigen Positivsummen-Profit verwandeln kann, war einer der entscheidenden Gedanken der Aufklärung. In der modernen Biologie wurde sie als Erklärung dafür, wie sich Kooperation zwischen nichtverwandten Individuen in der Evolution entwickelt hat, wieder belebt. Sie verändert das Pazifistendilemma, weil sie die Folgen des gegenseitigen Pazifismus mit den gegenseitigen Gewinnen des Austausches versüßt:
    Abbildung  10 - 3 :
    Wie Handel das Pazifistendilemma löst
    Der sanfte Handel verhindert zwar nicht die Katastrophe, wenn man nach einem Angriff eine Niederlage erleidet, er beseitigt aber den Anreiz für den Gegner, überhaupt anzugreifen (weil auch dieser vom friedlichen Austausch profitiert), und damit ist diese Sorge vom Tisch. Dass die beiderseitige Kooperation so viel Gewinn bringt, hat zumindest teilweise äußere Ursachen, denn es hängt nicht nur von der Bereitschaft der Akteure zum Handeln ab: Jeder muss sich auch auf die Produktion von etwas spezialisiert haben, das der andere haben möchte, und es muss eine Infrastruktur

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