Gewalt
Sicht dürfte sich das Geschlechterverhältnis durch die feministische und humanitäre Sorge um das Recht weiblicher Feten, den ersten Atemzug zu tun, wieder ausgleichen, insbesondere wenn auch die politisch Verantwortlichen endlich die demographische Arithmetik begreifen und die Anreize, Töchter großzuziehen, verstärken. Der dann folgende Boom weiblicher Babys würde eine weniger gewalttätige Gesellschaft nach sich ziehen. Aber bis die ersten Bevölkerungsgruppen mit ausgeglichenem Verhältnis geboren und aufgewachsen sind, haben diese Gesellschaften noch einen schweren Weg vor sich.
Der Respekt einer Gesellschaft vor den Interessen der Frauen steht in mehrfacher Hinsicht im Zusammenhang mit der Gewaltquote. Das Gewaltproblem ist nicht nur auf zu viele Männer zurückzuführen, sondern auf zu viele
junge
Männer. Mindestens zwei große Studien lassen darauf schließen, dass Staaten mit einem größeren Anteil junger Männer mit größerer Wahrscheinlichkeit in zwischenstaatliche Konflikte und Bürgerkriege verwickelt werden (Kapitel 6 ). [1950] Eine Bevölkerungspyramide mit einem dicken Fundament aus jungen Menschen ist nicht nur deshalb gefährlich, weil junge Männer gern mit dem Feuer spielen und in einer solchen Gesellschaft zahlenmäßig den klügeren Älteren überlegen sind. Die zweite Gefahr erwächst daraus, dass es diesen jungen Männern in den meisten Fällen sowohl an gesellschaftlicher Stellung als auch an Partnerinnen mangelt. Die verknöcherte Wirtschaft der Entwicklungsländer kann nicht flexibel eine große Zahl junger Menschen in den Arbeitsmarkt aufnehmen, so dass viele von ihnen keine oder nur geringe Beschäftigungschancen haben. Und wenn in einer solchen Gesellschaft in gewissem Umfang offiziell oder de facto Vielweiberei betrieben wird, so dass ältere oder reichere Männer viele junge Frauen mit Beschlag belegen, verwandelt sich der Überschuss an ausgegrenzten jungen Menschen in einen Überschuss an ausgegrenzten jungen Männern. Solche Männer haben nichts zu verlieren und finden sowohl Beschäftigung als auch einen Lebenssinn in Milizen, den Banden von Kriegsherren und terroristischen Zellen (Kapitel 6 ).
Der Titel
Sex and War
hört sich nach dem bestmöglichen Köder für echte Kerle an, in Wirklichkeit ist dieses kürzlich erschienene Buch aber ein Manifest für die Machtübernahme der Frauen. [1951] Der Fortpflanzungsbiologe Malcolm Potts führt darin in Zusammenarbeit mit der Politikwissenschaftlerin Martha Campbell und dem Journalisten Thomas Hayden eine Fülle von Belegen an, wonach Frauen, die Zugang zu Verhütungsmitteln haben und Ehen nach ihren eigenen Vorstellungen schließen können, weniger Nachkommen haben, als wenn die Männer in ihrer Gesellschaft sie zwingen, zu Babyfabriken zu werden. Das wiederum hat zur Folge, dass die Bevölkerungsstruktur ihrer Staaten weniger durch eine breite Schicht junger Menschen am unteren Ende der Pyramide verzerrt wird. (Im Gegensatz zu früheren Vermutungen muss ein Land nicht wohlhabend werden, bevor sein Bevölkerungswachstum zurückgeht.) Den Frauen mehr Kontrolle über ihre Fortpflanzungsfähigkeit zu geben (die immer das umstrittene Terrain im biologischen Geschlechterkampf war), ist nach Ansicht von Potts und seinen Coautoren der wirksamste Weg, um die Gewalt in den gefährlichen Regionen der heutigen Welt zu vermindern. Aber dieser Machtzuwachs stößt häufig auf die erbitterte Opposition traditionell eingestellter Männer, die ihren Einfluss auf die Fortpflanzung der Frauen behalten wollen, und auf den Widerstand religiöser Institutionen, die sich gegen Empfängnisverhütung und Abtreibung aussprechen.
Mehrere Formen der Verweiblichung – unmittelbare politische Einflussnahme, die Erosion männlicher Ehrenbegriffe, die Förderung von Eheschließungen nach Wunsch der Frauen, das Recht der Mädchen, geboren zu werden, und die Kontrolle der Frauen über ihre eigene Fortpflanzung – waren wichtige Faktoren für den Rückgang der Gewalt. Die Regionen der Welt, die in dieser historischen Entwicklung hinterherhinken, hinken auch beim Rückgang der Gewalt hinterher. Wie wir aber aus weltweiten Meinungsumfragen wissen, besteht selbst in den rückständigsten Staaten ein beträchtliches, aufgestautes Verlangen nach mehr Macht für Frauen, und viele internationale Organisationen engagieren sich dafür, ihm nachzukommen (Kapitel 6 und 7 ). Auf lange Sicht – allerdings nicht kurzfristig – machen solche Anzeichen Hoffnung, dass
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