Gewalten
Und zur selben Zeit interessiert sich plötzlich eine Journalistin für den vergessenen Künstler, aber die gehört natürlich auch zu den Bullen, soll sich an ihn ranmachen, aber da entwickelt sich natürlich trotzdem was zwischen den beiden. Und die U.S.-Jungs und die deutschen Bullen schicken ihnen einen angeblichen Käufer, weil es ja als Straftat rüberkommen muss, einfach nur drucken ist nicht so sehr strafbar, und die machen einen Treffpunkt aus, säckeweise Geld, und die Idioten, also der Künstler natürlich nicht, bewaffnen sich mit Äxten, einer Sportarmbrust und einer uralten Walther PPK , falls was schiefgeht. Na ja, am Ende großer Zugriff, und sie alle in den Bau. Aber die letzten Dollars, die sie hergestellt hatten, waren die besten Fälschungen, die es je gegeben hat. Sagt jedenfalls das Schatzamt.
Also doch ein kleiner Triumph, und im Knast ist er dann ’ne große Nummer, Andy Warhol hinter Gittern. Schnitt.
Er ist weg. Kommt gleich wieder, hat er gesagt. Ist zwischen den vielen Menschen verschwunden, Richtung Rolltreppe, seltsam geduckt, und die Hände in den Taschen seines Trenchcoats.
»Fünf Jahre hat der Mann dort verbracht. Also die erste Zeit in einem anderen Lager, Afghanistan, und davor in verschiedenen Gefängnissen. Weil er zur falschen Zeit am falschen Ort ... Fünf Jahre.«
»Fünf Jahre«, sagt er auch, als er wieder da ist, zehn Minuten später ungefähr, und ein paar Mappen auf den Tisch legt. Während er weg war, habe ich überlegt, wie es denn
sein kann, dass er das Zeug irgendwo deponiert hat, und warum? Elf Minuten hat der Zug Aufenthalt, und in elf Minuten bis zu den Schließfächern und zurück, wenn man sich angeblich nicht auskennt auf dem Bahnhof von Leipzig. Wieso hat er das Zeug nicht bei sich behalten? Und er schien dort schon einige Zeit gestanden zu haben, oben am Geländer, wo ich ihn erst entdeckte, als der Zug längst im Schnee verschwunden war. Die Züge aus Berlin kommen stündlich, und vielleicht ... Ich blättere in den Unterlagen. Sind auch Fotos und Lagepläne dabei. Ob ihm meine Filmideen gefallen haben? Ich hab ihm nur noch eine zweite erzählt, weil ich merkte, dass er ungeduldig wird und versucht hat, den Bogen zurückzuschlagen zu
Papillon,
und er fragte mich, ob ich den Film
20 000 Jahre in Sing Sing
kenne, den hätte er kürzlich im Fernsehen gesehen (»Ja, der ist doch von Michael Curtiz, ich habe bis vor kurzem gar nicht gewusst, dass der schon in den Zwanzigern ein berühmter Stummfilmregisseur gewesen ist!«), aber als ich den Regisseur Andreas Dresen, mit dem ich einmal im
Brick’s
versackt bin, ins Spiel brachte, war er plötzlich wieder interessiert. Denn das ist für mich ein potentieller Dresen-Film, mein Exposé über den Gabelstaplerfahrer im Großmarkt, der dort noch neu ist und sich in eine Mitarbeiterin der Abteilung Süßwaren verliebt, die natürlich verheiratet ist, der ganze Film spielt fast ausschließlich in dem Markt, wo sie bis Mitternacht die Waren verräumen, dort gibt’s eine riesige Fischabteilung, ein kleiner Markt im Markt sozusagen, eine Unterwasserwelt voll mit Aquarien und lebenden Krebsen und so Getier. Und da steht er oft nachts mit dem Alten, auch Staplerfahrer, mit dem er sich angefreundet hat, und beobachtet die Krebse und Hummer, deren Scheren zusammengebunden
sind, damit sie keinen Schaden anrichten, er, also der Junge, kommt wahrscheinlich aus dem Knast, aber nichts Genaues weiß man nicht, und alles nur zwischen den Gängen und den Mitarbeitern und den Kunden, eine Liebesszene im Tiefkühlraum bei minus dreißig Grad gibt’s auch, bis der Alte plötzlich nicht mehr kommt, weil er sich aufgehängt hat im Stall seines Hauses auf dem Dorf, keiner weiß, warum. Die waren so eine Art Dreierbande, der Alte und der Junge und das verheiratete Mädchen, dem’s zu Hause auch nicht gutgeht, Ehemann ein Arschloch, und dann sind die beiden plötzlich ganz allein in den riesigen Hallen. Liebe und Tod im Großmarkt, also das war jetzt nur grob erzählt natürlich.
Und ich selbst habe dann den Dreh zurückgefunden, weil man, wenn man sich so trifft und sich nicht kennt, die Dinge nicht einfach so auf den Tisch hauen will, und er will das auch nicht, das merk ich, so wie er nickt und sagt: »Das klingt doch alles ganz gut, klingt wirklich interessant«, also hab ich von der Politik angefangen und der Wahl im Herbst und dass der Steinmeier doch wohl ganz in Ordnung wäre ... Und da hat er sich zu mir rübergebeugt,
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