Gewalten
schiebe ich 200 auf das Null-Spiel mit seinen sieben Zahlen, 12 , 35 , 3 , 26 , 0 , 32 , 15 , dort liegt noch kein Chip, alles konzentriert sich anderswo, vor allem die kleine Serie ist bebaut mit Plastiktürmen, Babylon,
nichts geht mehr!,
»ich sagte
twei, twei, twei
«, schreit die Vietnamesin, die anscheinend ihr Spiel nicht mehr platzieren konnte, sie ist gar nicht mehr einzukriegen und schreit und greift quer über den Tisch, ein Mann in Smoking tritt hinter sie und flüstert ihr was ins Ohr, ich sehe, wie die Kugel langsamer wird, und dann liegt sie auf der Null. Grün. »Das hätte man doch wissen können«, ruft der Mann im karierten Hemd, ich richte mich auf, der Croupier nickt mir zu. Ich stopfe Jetons in meine Taschen. Zeit, Schluss zu machen. Ein Spiel noch.
Auf der Fahrt in die Stadt Hannover habe ich von Albatrossen gelesen, die leben am und im Meer, und da dort alles voller Plastikmüll ist, füttern sie ihre Kinder damit, weil sie’s nicht besser wissen, und die krepieren dann elendig.
In der Spielbank der Stadt Hannover rutsche ich von 800 Euro auf 400 . Auf dem Klo höre ich, wie sich jemand die Seele aus dem Leib kotzt. Getrunken wird dort nichts.
Eine Dame, die recht hübsch ist, erzählt mir, dass sie auch schreibt. Ich bin erschüttert. Wie vieles andere auch, ist Schreiben eine recht unschöne Sache. Manchmal
möchte ich mein ganzes Geld verspielen und in der Gosse verschwinden.
Auf der Fahrt aus der Stadt H in die Stadt L über die Stadt M lese ich von einem Prozess, in dem es um einen zweiteiligen Amoklauf geht, Schule und Arbeitsplatz, aber das gehört hier nicht her. Bomben auf Monte Carlo. Man müsste die Islamisten spielsüchtig machen, das wäre die Lösung. Auf den Air-France-Flügen nach Amerika kann man Black Jack spielen auf einem kleinen Monitor in der Rückenlehne des Vordermanns. Allahs Waisenkinder.
Nichts geht mehr
.
Undercover und der Kopf
I
Berlin, Ende November 2009 . Das Land hat sich verändert. Ich sehe den Bundestag durch die Fenster der S-Bahn. Schwarz-gelb beflaggt. Ich setze große Hoffnungen auf Guido und sein Syndikat der Macht und der Millionen,
Focus
und
Junge Freiheit
liegen ineinandergefaltet auf meinen Knien. Die Rennbahn und die Spielcasinos werde ich meiden und an der Börse mein Geld in den Aufschwung investieren. Ich trage jetzt täglich Krawatte. Es geht voran, die S-Bahn fährt, der
Mitternachtsfleischzug
, obwohl es erst Nachmittag ist, keine U-und S-Bahnschläger in Sicht, ich suche den Kopf.
Der liegt in Schöneberg. Genau gesagt auf dem Gelände des Güterbahnhofs Wilmersdorf (die BZ vom 4 .September 2009 ist da etwas unscharf in der Beurteilung der geographischen Lage, gehört der Güterbahnhof Wilmersdorf noch zu Schöneberg?), dort, wo die Wilmersdorfer Witwen wohnen. Ich kenne diesen Teil von Berlin nicht. Ich richte meine Krawatte und wickele mir meinen schwarz-gelben Schurwollschal um den Hals. Es ist kalt geworden. Immer
noch keine U- und S-Bahnschläger in Sicht, ich spüre den geriffelten Griff meines ausziehbaren Teleskopschlagstocks in der Manteltasche, jederzeit bereit, rettend einzuschreiten, wenn Migrantenkinder oder Schmutzpunks die Fahrgäste bepöbeln. Multikulti und die bunte Republik D sind gescheitert. Und ich sehe schon den Bundespräsidenten vor mir, der mir das Bundesverdienstkreuz überreicht, Erster Klasse versteht sich, Bellevue ist eine Reise wert ...
Ein himmelblauer Trabant, fährt übers Land, durch den Regen.
Es geht voran, der Mitternachtsfleischzug rast quietschend über die Schienen der Reichshauptstadt, 15 Uhr 35 , Südkreuz, ich muss umsteigen. Alles ruhig.
II
Auf der oberen Ebene des Bahnhofs Berlin Südkreuz bewege ich mich langsam wie durch einen schwerelosen Traum. 2009 – Odyssee durch den Stahlbeton. Weiß und Grau. Die große Fläche dieser Ebene ist von mehreren Quadern durchbrochen, Fahrstühle, die in die unteren Ebenen führen. Neben und zwischen diesen Quadern, zu einem seltsamen Muster geordnet das Ganze, kreisrunde Kioske, Zeitungen, Kulinarisches, in glänzenden Metallgehäusen, metallisch auch die Quader. Menschen laufen in Gruppen. Die Ringbahn fährt ein. Menschen steigen aus, in Gruppen, ihr Atem dampft. Ich ziehe den Kopf ein, der Mantelkragen berührt meine großen Ohren, der Stoff fühlt sich rau an, jemand fragt mich was, die Stimme kommt aus einer der Gruppierungen, Pendler mit schiefen Gesichtern, als ich antworte, dröhnt meine Stimme im breitesten sächsischen Tonfall
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