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Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Titel: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marshall B. Rosenberg
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Stell dir nur vor, es wären Leute von einer anderen Bande hier, und die haben Waffen, und du hast keine. Und du sagst: Bleibt einfach stehen und sprecht mit ihnen? So ein Quatsch!“
    Dann lachten wieder alle, und ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf ihre Gefühle und Bedürfnisse. „Ja, das klingt, als hättet ihr echt die Nase voll davon, etwas zu lernen, das in solchen Situationen nutzlos ist?“ „Ja, und wenn du hier in der Gegend wohnen würdest, dann wüßtest du, was das für ein Mist ist.“ „Wenn euch jemand was beibringt, dann wollt ihr darauf vertrauen können, daß er sich wenigstens ein bißchen in eurer Gegend auskennt?“ „Verdammt richtig. Diese Kerle würden dich wegpusten, bevor auch nur zwei Wörter aus deinem Mund gekommen sind!“ „Und ihr wollt darauf vertrauen können, daß jemand, der versucht, euch etwas beizubringen, die Gefahren hier kennt?“ Ich hörte weiter zu und faßte das, was ich gehört hatte, manchmal in Worte und manchmal auch nicht. Das ging fünfundvierzig Minuten lang so weiter, und dann bemerkte ich eine Veränderung: Sie fühlten, daß ich sie wirklich verstand. Einem Sozialarbeiter aus dem Straßengang-Programm fiel die Veränderung auch auf, und er fragte sie laut: „Was haltet ihr von dem Mann hier?“ Der junge Mann, der es mir am schwersten gemacht hatte, antwortete: „Er ist der beste Lehrer, den wir je hatten.“
    Wir „sagen viel“, wenn wir auf die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen hören.
    Erstaunt drehte sich der Sozialarbeiter zu mir um und flüsterte: „Aber Sie haben doch gar nichts gesagt!“ In der Tat hatte ich viel gesagt, indem ich ihnen demonstrierte, daß es keine Rolle spielte, was sie mir an den Kopf werfen würden: Alles konnte in allgemein menschliche Gefühle und Bedürfnisse übersetzt werden.

Wie Empathie Gefahrensituationen entschärft
    Die Fähigkeit, Menschen, die unter Streß stehen, Empathie anzubieten, kann potentielle Gewalt abmildern.
    Eine Lehrerin in der Innenstadt von St. Louis erzählte von einem Vorfall: Sie war pflichtbewußt nach dem Unterricht noch in der Schule geblieben, um einem Schüler zu helfen, obwohl die Lehrer gewarnt worden waren: Sie sollten das Gebäude zu ihrer eigenen Sicherheit nach dem Unterricht verlassen. Ein fremder Mann betrat den Klassenraum, und der folgende Wortwechsel entspann sich:
    Junger Mann: „Ziehen Sie sich aus.“
    Lehrerin (Bemerkte, daß er zitterte.): „Ich habe den Eindruck, daß Ihnen das ganz schön angst macht.“
    Junger Mann: „Haben Sie gehört? Verdammt noch mal, ziehen Sie sich aus!“ 
    Lehrerin: „Ich habe den Eindruck, Sie sind gerade stocksauer und wollen, daß ich tue, was Sie sagen.“
    Junger Mann: „Sie haben verdammt recht, und es wird Ihnen was passieren, wenn Sie es nicht tun.“
    Lehrerin: „Ich möchte gerne von Ihnen hören, ob es eine Möglichkeit gibt, Ihren Bedürfnissen entgegenzukommen, ohne daß mir etwas passiert.“ 
    Junger Mann: „Ich habe gesagt, ausziehen.“
    Lehrerin: „Ich höre, wie sehr Sie das wollen. Gleichzeitig möchte ich, daß Sie wissen, wie groß meine Angst ist und wie schrecklich ich mich fühle und wie dankbar ich wäre, wenn Sie gehen, ohne mir etwas zu tun.“ 
    Junger Mann: „Geben Sie mir Ihren Geldbeutel.“
    Die Lehrerin händigte dem Fremden ihren Geldbeutel aus und war erleichtert, daß er sie nicht vergewaltigt hatte. Sie beschrieb später, wie sie jedesmal, wenn sie ihm Empathie gab, wahrnehmen konnte, daß die Hartnäckigkeit seiner Absicht nachließ, sie zu vergewaltigen.
    Ein Polizist aus einer großen Stadt, der ein Aufbautraining in GFK besuchte, begrüßte mich einmal mit dem folgenden Bericht:
    „Ich bin wirklich froh, daß wir letztes Mal den empathischen Umgang mit wütenden Leuten geübt haben. Nur ein paar Tage nach unserem Seminar mußte ich jemanden in einem städtischen Wohnprojekt verhaften. Als ich ihn herausbrachte, war mein Auto von etwa sechzig Leuten umringt, die mich anschrien: ,Lassen Sie ihn gehen! Er hat nichts getan! Ihr Polizisten seid ein Haufen Rassistenschweine!‘ Obwohl ich skeptisch war, ob Einfühlsamkeit hier helfen würde, hatte ich kaum eine andere Wahl. Also gab ich die Gefühle wieder, die auf mich zukamen; ich sagte z.B. so was wie: ,Sie haben kein Vertrauen in meine Gründe, diesen Mann zu verhaften? Sie glauben, es hat mit seiner Rasse zu tun?‘ Nachdem ich ein paar Minuten lang weiter ihre Gefühle reflektiert hatte, ließ die Feindseligkeit bei den Leuten

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