Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
von Person A.
9. Hier nimmt es Person B als gegeben hin, daß sie verstanden hat, und spricht daraufhin von den eigenen Gefühlen, statt empathisch auf das zu reagieren, was in Person A vorgeht.
10. In diesem Beispiel beginnt Person B mit einer empathischen Resonanz auf die Gefühle von Person A, geht jedoch dann zu einer Rechtfertigung über.
|8| Die Macht der Empathie
Empathie, die heilt
Carl Rogers beschrieb die Wirkungen der Empathie auf diejenigen, die sie bekommen: „Wenn ... dir jemand wirklich zuhört, ohne dich zu verurteilen, ohne daß er den Versuch macht, die Verantwortung für dich zu übernehmen oder dich nach seinem Muster zu formen – dann fühlt sich das verdammt gut an. Jedesmal, wenn mir zugehört wird und ich verstanden werde, kann ich meine Welt mit neuen Augen sehen und weiterkommen. Es ist erstaunlich, wie scheinbar unlösbare Dinge doch zu bewältigen sind, wenn jemand zuhört. Wie sich scheinbar unentwirrbare Verstrickungen in relativ klare, fließende Bewegungen verwandeln, sobald man gehört wird.“
Empathie macht es möglich, daß wir „unsere Welt mit neuen Augen sehen und weiterkommen können.“
Eine meiner Lieblingsgeschichten über Empathie handelt von der Direktorin einer innovativen Schule. Sie kam einmal vom Essen zurück und fand Milly, eine Grundschülerin, in ihrem Büro. Milly saß dort ganz niedergeschlagen und wartete auf sie. Sie setzte sich neben Milly, die zu sprechen anfing: „Frau Anderson, haben Sie schon mal eine Woche erlebt, in der alles, was Sie tun, jemanden verletzt, auch wenn Sie überhaupt niemanden verletzen wollen?“
„Ja“, antwortete die Direktorin, „Ich glaube, ich verstehe“, worauf Milly mit der Beschreibung ihrer Woche weitermachte. „Mittlerweile“, erzählte die Direktorin, „war ich wegen eines wichtigen Termins ziemlich in Eile – ich hatte noch meinen Mantel an – und wollte nicht einen ganzen Raum voll Menschen warten lassen. Und so fragte ich: ,Milly, was kann ich für dich tun?‘ Milly streckte ihre Arme aus, packte mich an beiden Schultern, schaute mir direkt in die Augen und sagte mit ganz fester Stimme: ,Frau Anderson, ich möchte nicht, daß Sie irgend etwas tun; ich möchte nur, daß Sie mir zuhören.‘
Tu nicht einfach irgendwas ...
Das war einer der wichtigsten Lernmomente in meinem Leben – und ich lernte etwas von einem Kind – und so dachte ich mir: ,Die ganzen Erwachsenen in dem Raum, die jetzt auf mich warten, spielen keine Rolle!‘ Milly und ich gingen zu einer Bank hinüber, die uns mehr Privatsphäre bot, und wir setzten uns hin, mein Arm um ihre Schultern, ihr Kopf an meiner Brust und ihr Arm um meine Taille, und so sprach sie, bis sie fertig war. Und wissen Sie, so lange hat das gar nicht gedauert.“
Zu hören, wie Menschen die GFK genutzt haben, um ihre Fähigkeit zu entwickeln, mit anderen einfühlsam in Kontakt zu treten, ist einer der zufriedenstellendsten Aspekte meiner Arbeit. Meine Freundin Laurence, die in der Schweiz lebt, erzählte mir, wie sie sich geärgert hatte, als ihr sechsjähriger Sohn mitten im Gespräch einfach davongestürmt war. Isabelle, ihre zehnjährige Tochter, die sie kürzlich auf einen GFK-Workshop begleitet hatte, sagte: „Du bist also wirklich sauer, Mama. Du hättest gerne, daß er etwas sagt, wenn er sich ärgert, und nicht einfach davonläuft.“ Laurence staunte darüber, wie sie bei Isabelles Worten ein unmittelbares Nachlassen ihrer Anspannung spürte. Daraufhin konnte sie wieder mehr Verständnis für ihren Sohn aufbringen, als er zurückkam.
Ein Collegelehrer beschrieb, wie es die Beziehungen zwischen den Studenten und Dozenten beeinflußte, daß einige Dozenten gelernt hatten, empathisch zuzuhören und sich selbst verletzlicher und offener auszudrücken. „Die Studenten öffneten sich mehr und mehr und erzählten uns von verschiedenen persönlichen Problemen, die sich störend auf ihr Studium auswirkten. Je mehr sie darüber sprachen, desto besser konnten sie studieren. Auch wenn dieses Zuhören viel Zeit in Anspruch nahm, waren wir froh, die Zeit so zu nutzen. Leider regte sich der Dekan darüber auf; er sagte, wir wären keine Sozialarbeiter und sollten mehr Zeit auf das Lehren verwenden und weniger auf Gespräche mit den Studenten.“
Als ich fragte, wie sie damit umgegangen waren, antwortete der Dozent: „Wir stimmten uns auf das Anliegen des Dekans ein. Wir hörten, daß er sich Sorgen machte und sicher sein wollte, daß wir uns nicht auf
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