Gewitter der Liebe
bringen werden, denn die meisten Männer, die etwas Gold gefunden haben, werden es erfahrungsgemäß sofort wieder ausgeben – für Alkohol, Glückspiel und Mädchen.«
Wieder errötete Julia leicht, weil sie an Lilly denken musste. Die Freundin würde sich nicht so schnell als leichtes Mädchen hergeben, aber wenn ihr jemand ein Säckchen Gold vor die Nase hielt, könnte es sein, dass sie schwach werden würde.
»Woher willst du das wissen?«, fragte sie peinlich berührt. »Du scheinst dich in diesem Bereich bestens auszukennen.«
Sein Lachen war herzerfrischend. »Ich kenne die Männer, bin ja selbst einer – obwohl mir für derlei Dinge mein Geld zu schade wäre. Weißt du denn nicht, dass in San Francisco die Saloons wie Pilze aus dem Erdboden schießen? Immer wieder fahren Schiffe von der Ostküste über den Isthmus von Panama, beladen mit Glücksspielern und Mädchen. Alle wollen ihr Geld in Kalifornien machen, jeder auf seine Weise.«
»Und du? Reizt es dich nicht auch, hinauszuziehen und nach Gold zu suchen?«
Er zögerte kurz. »Mitunter denke ich mir auch, dass ich vielleicht besser daran täte, das zu tun, aber dann kommt immer schnell die Vernunft zurück. Mein Geschäft könnte zur Goldgrube werden, wenn ich in San Francisco bleibe.«
Es begann wieder zu regnen, und die Leute, die sich bereits für den Treck angemeldet hatten, huschten mit geduckten Köpfen in ihre schützenden Wagen. Auch Lilly schien genug von ihrer Besichtigungstour zu haben und eilte mit gerafften Röcken über den aufgeweichten Boden heran.
Sie kletterte auf die Ladefläche, schälte sich aus ihrer nassen Jacke und berichtete begeistert: »Ich habe einige sehr interessante Leute kennengelernt. Sie wussten sehr viel über San Francisco – stellt euch vor, noch vor einem Jahr zählte die Stadt gerade tausend Einwohner. Nach Bekanntgabe des ersten Goldfundes wuchs sie bereits auf fünfundzwanzigtausend Bürger an!«
»Und sie wird weiterwachsen«, meinte Nathan, rückte einige Warenkisten im vorderen Wagenteil beiseite und erklärte, dass diese Nische für die nächsten sechs Monate seine Schlafstatt sein würde, damit die Ladys den hinteren Raum für sich nutzen konnten.
Es begann zu dunkeln, und allmählich wurde es ruhig im Lager. Nathan öffnete ein paar Konservendosen mit Corned Beef und Dauerbrot, denn für ein Lagerfeuer war es zu feucht. Schließlich suchten Lilly und Julia ihre einfache Bettstatt auf und verkrochen sich in den Decken, denn es war kalt geworden. Erst jetzt spürte Julia, wie erschöpft sie war; bevor sie einschlief, dachte sie noch einmal kurz an den fremden Mann, der so großen Eindruck auf sie gemacht hatte.
In den folgenden beiden Tagen kamen weitere Planwagen zum Handelsposten nach Independence und Scharen von Männern mit dem Flussdampfer. Die Wiese, auf der die Planwagen abgestellt wurden, platzte bald aus allen Nähten, und in den primitiven Ställen war kaum noch Platz für all die Zugtiere.
Julia und Lilly nutzten diese Tage, um sich mit den anderen Treckteilnehmern bekannt zu machen. Das Wetter hatte sich gebessert, und hin und wieder stahl sich sogar ein Sonnenstrahl durch die grauen Wolken. Mehrmals täglich erkundigte sich Julia höflich bei Nathan, ob sie etwas für ihn tun könne. Aber bis auf einen abgerissenen Knopf anzunähen gab es derzeit nichts für sie zu tun, und so gesellte sie sich zu ihrer Freundin, die begierig darauf war, so viele Bekanntschaften wie möglich zu machen.
Das fiel ihr nicht besonders schwer, bei ihrem auffälligen Aussehen und der forschen Art zückte jeder seinen Hut, wenn sie sich sehen ließ. Julia sahen sie erst auf den zweiten Blick und musterten das grazile dunkelhaarige Geschöpf wohlwollend.
Einmal schleppte Lilly sie zu einer Gruppe von Männern, die sich gerade im Handelsposten mit einigen Nahrungsmitteln eingedeckt hatten.
»Komm, ich stelle dir drei nette Burschen vor. Sie sind eine sehr lustige Truppe, ich lernte sie bereits gestern kennen. Hallo, Jungs!« Sie winkte in die Richtung der Männer.
Julia stockte der Atem, als der Dunkelhaarige und seine beiden Kumpane lächelnd näher kamen und Lilly wie eine alte Bekannte begrüßten, bevor sie ihnen ihre Freundin vorstellte.
»Wir haben allerdings nicht vor, uns auf die Goldsuche zu begeben«, schloss sie feixend. »Wir wollen in San Francisco arbeiten und dort sesshaft werden.«
Sie wies auf die beiden schmächtigen Männer und sagte: »Julia, das sind die Brüder Josh und Gerald
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