Gewitter der Liebe
vermuteten Nathan und Julia amüsiert.
Lilly, Nathan und Julia gehörten zu den großen Gewinnern, die mit dem ersten Treck 1849 die kalifornische Westküste erreicht hatten. Sie hatten es geschafft, ohne einen einzigen Tag in einem der zahlreichen Goldgräberlager verbringen zu müssen, nur durch Ehrgeiz und den Willen, ihre Träume zu realisieren.
Natürlich hatten auch einige Goldsucher Erfolg gehabt – das beste Beispiel war Ross Wheeler. Doch der zählte nicht, er gehörte weder zu San Francisco noch zu Julias Leben. Die meisten Bürger, die reich geworden waren, hatten diesen Reichtum allerdings dem Goldrausch zu verdanken – so wie Nathan und Hunderten von weiteren Kaufleuten.
* * *
Sie kamen von der Eröffnungsfeier der Universität zurück. Es war mittlerweile Oktober, tagsüber jedoch noch erstaunlich mild für die Jahreszeit.
Julia und Nathan hatten die Feier genossen. Man hatte Nathan anerkennend auf die Schulter geklopft, weil er inzwischen das größte Warenhaus der Stadt besaß, und Julia hatte zahlreiche Komplimente wegen ihres blühenden Aussehens und ihrer atemberaubenden Abendrobe eingeheimst.
Nun, als die Kutsche vor dem mit Marmorsäulen gesäumten Eingangsportal der Villa anhielt, schlug Julia ihrem Mann gutgelaunt vor, noch einen Schluck zu trinken.
»Hast du immer noch nicht genug Champagner getrunken?«, fragte er lachend. »Mir soll es recht sein.«
Kokett legte sie ihren Kopf schief. »Ich möchte gerne noch etwas mit dir besprechen, wenn du nicht zu müde bist.«
Er bot ihr seinen Arm und gemeinsam stiegen sie die auffällige breite Treppe hinauf. »Hoffentlich nichts Geschäftliches. Über die Neueinstellungen im Warenhaus können wir morgen auch noch reden.«
»Warte es nur ab.« Sie lächelte geheimnisvoll und wartete am oberen Treppenabsatz, bis Nathan die Haustür öffnete und weit aufhielt, sodass Julia bequem mit ihrem überweiten Rock hindurchschlüpfen konnte. Betont langsam streifte sie ihre langen Handschuhe ab und übergab Nathan die Pelzstola, weil das Mädchen schon zu Bett gegangen war.
Allmählich wurde Nathan neugierig und folgte seiner schönen Gemahlin in den Salon, der ihr ganzer Stolz war. Er wartete, bis sie sich gesetzt hatte und setzte sich ihr gegenüber – an den versprochenen Champagner dachte er nicht mehr.
»Nun, was kann so wichtig sein, dass wir zu nächtlicher Stunde ein ernstes Gespräch führen müssen?«
Sie kicherte verlegen hinter ihrem Fächer, dann sagte sie langsam: »Wie es scheint, bekommt San Francisco bald einen neuen Bewohner …«
Zunächst starrte er sie begriffsstutzig an, doch dann erhellte sich sein gutmütiges Gesicht. »Sag, dass du mich nicht zum Narren halten willst.« Er stand auf und trat zu ihr.
»Seit vorgestern weiß ich selbst erst Bescheid, und der gute alte Dr. Stevens meint, im März nächsten Jahres werden wir Eltern … wieder Eltern.«
Vorsichtig zog er sie hoch, in seinen Augen glänzten Tränen der Ergriffenheit. Mit einem gemeinsamen Kind würde sein letzter großer Wunsch in Erfüllung gehen – und sich der Schatten des anderen Mannes endgültig in Luft auflösen …
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