Gewitter der Liebe
erfasste Nathan. Er entschuldigte sich bei Julia, um noch einmal nach seinen Zugtieren zu sehen, die dicht gedrängt mit den anderen in einem überdachten Unterstand waren, da die Ställe, die zum Handelsposten gehörten, restlos überfüllt waren.
Was mochte diese lange, waghalsige Reise wohl bringen, fragte sich Nathan auf dem Rückweg zu seinem Wagen. Er dachte an das Geschäft, das er sich aufbauen wollte, doch stets schweiften seine Gedanken zu der liebreizenden Julia ab. War es denn so abwegig, dass sie etwas für ihn empfand und ihr Leben mit ihm teilen wollte? Nun, das blieb abzuwarten; zunächst musste man erst einmal gesund im gelobten Land ankommen.
3
Noch vor Anbruch der Morgendämmerung wurde angespannt. Die Luft war angefüllt vom Schnaufen der Ochsen und Maultiere und den ungeduldigen Stimmen ihrer Besitzer.
Um den Männern bei ihrer Arbeit nicht im Weg zu stehen, drückten sich Julia und Lilly in der Nähe der Anmeldehütte herum und betrachteten das Geschehen von dort aus.
»Kannst du dir vorstellen, dass wir noch vor einer Woche in New York waren?«, fragte Lilly mit vor Erregung heiserer Stimme. »Nicht im Traum hätte ich damit gerechnet, heute hier zu sein.«
»Aber du spieltest bereits mit dem Gedanken, nicht wahr?«
»Schon, aber wärst du nicht mit mir gegangen, hätte ich meinen Traum begraben«, räumte Lilly ein. Sie entdeckte Ross Wheeler und winkte ihm zu. »Wenn alle Männer in San Francisco so sind wie er, wüsste ich kaum, für welchen von ihnen ich mich entscheiden sollte. Findest du Ross nicht auch aufregend?«
Doch Julia gab sich interesselos und hob die Schultern. »Ich bin mir nicht sicher, ob er mir gefällt«, log sie und hoffte, die Freundin würde ihre Verlegenheit nicht bemerken. Ja, dieser Ross war ein außergewöhnlicher Mann; aber obwohl er Julia am Vortag länger als normal in die Augen geschaut hatte, war sie nicht sicher, ob er wahres Interesse an ihr zeigte. Wenn er die Wahl hätte, würde er sich wahrscheinlich ohnehin für Lilly entscheiden.
Ross war schon wieder verschwunden, denn es galt, sich mit dem reisefertigen Planwagen der Nummer nach anzustellen. Drüben auf der riesigen Weide kam allmählich Ordnung ins Geschehen; nach und nach reihten sich die Wagen ein, bis sie einen riesigen Kreis bildeten. Für die beiden Frauen wurde es Zeit, auf Nathans Wagen zu springen, wenn sie die Abfahrt nicht verpassen wollten.
Sie setzten sich zu Nathan auf den Kutschbock, der genügend Platz für drei Personen bot, und warteten mit wild klopfendem Herzen darauf, dass es endlich losging. Die meisten Fuhrwerke wurden von kräftigen Ochsen gezogen, aber man sah auch Maultiergespanne und einige Wagen mit Ackerpferden. Nathan führte zudem, wie viele andere auch, ein Reitpferd mit sich, das er an der hinteren Planstange angebunden hatte. Alles in allem war dieser Treck ein gemischter Haufen, und Julia war stolz darauf, ein Teil davon sein zu dürfen.
»Worauf warten wir denn noch?«, flüsterte Lilly. »Warum geht es nicht los?«
Nathan warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Weil unser Führer noch nicht hier ist.«
»Natürlich.« Beschämt senkte Lilly den Blick, und Julia kicherte in sich hinein.
Plötzlich herrschte gespannte Ruhe. James Cramer kam gemächlich angeritten, flankiert von sechs Männern. Er ritt in die Mitte des Kreises und erhob seine Stimme.
»Guten Morgen, Leute!«
Ein vielstimmiger Gruß ertönte. Die Männer schätzten James Cramer wegen seiner ruhigen und besonnenen Art, die ein Gefühl von Sicherheit in ihnen hervorrief.
»Das Wetter scheint sich zu bessern, gut für uns«, fuhr Cramer mit lauter und kräftiger Stimme fort. »Zunächst werden wir waldreiches Gebiet überqueren und halten uns ständig am Westufer des Missouri auf. Später, in Nebraska, folgen wir dem North Platte River in der Prärie einige Zeit. Versorgt euch dort mit Frischwasser, so viel ihr könnt, und auch mit genug Futter für eure Tiere. Denn wenn wir erst einmal im Ödland sind, gibt es keine Möglichkeit mehr dazu. Stellt euch darauf ein, dass dies harte Wochen werden. Falls wir in der Prärie Indianern begegnen sollten, verhaltet euch ruhig. Meistens sind sie nur neugierig, also lasst eure Waffen stecken und provoziert sie nicht.« Er hielt kurz inne und ließ seinen Blick über die riesige Runde schweifen. »Der schwierigste Abschnitt sind die Berge, die es zu überqueren gilt, aber auch verschiedene Flüsse müssen vorher durchfahren werden. Ich hoffe, ihr habt
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