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Gewitterstille - Kriminalroman

Gewitterstille - Kriminalroman

Titel: Gewitterstille - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Kommissar Braun ihr reichte, und er kannte Sophies Handschrift auf der Kopie des Briefes sofort.
    »Sie können sich übrigens gern einen Kaffee nehmen«, bot Braun Anna an und deutete auf seine Kaffeemaschine, in deren Kanne offensichtlich schon seit einigen Stunden eine dunkle Brühe stand.
    Anna schüttelte den Kopf. Sie wusste, wie abscheulich Brauns Kaffee selbst dann schmeckte, wenn er frisch aufgebrüht war, außerdem hatte sie ohnehin schon viel zu viel Adrenalin im Blut.
    »Der Brief wurde in Nizza abgestempelt«, sagte Bendt.
    »Sophie ist in Frankreich?«
    »Jedenfalls war sie das bis vorgestern«, bestätigte Braun. »Wir haben durch die Überprüfung des Telefonnetzes er mitteln können, dass Sophie ihre Freundin Janina von dort aus angerufen hat.«
    Anna überflog den Brief und spürte zugleich, dass Ben Bendt sie von der Seite musterte. Sie wandte sich ihm zu und sah seinem Gesichtsausdruck an, dass er offenbar Anlass sah, ihren Enthusiasmus zu bremsen.
    Er beugte sich zu ihr hinüber und deutete auf das Datum im Briefkopf des Schriftstücks. Anna begriff sofort:
    »Sie hat den Brief vorgestern geschrieben und somit an dem Tag, als sie mit Janina telefoniert hat. Wir wissen nicht, ob sie den Brief vor oder nach dem Telefonat mit ihrer Freundin abgeschickt hat, richtig?«
    »Leider ja.«
    Die freudige Erregung in Annas Gesicht wich sofort einer fahlen Blässe, und sie bemerkte gar nicht, dass der Brief von ihrem Schoß auf den kahlen Fußboden glitt.
    »Ich glaube nicht, dass Jens Asmus ihr etwas angetan hat«, sagte Bendt, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und hob den Brief wieder auf. »Er hätte das längst tun können, wenn er gewollt hätte.«
    »Hoffentlich hat sie ihm durch das Telefonat nicht den Grund dazu geliefert.« Erneut spürte Anna die ungeheure Last der Ungewissheit. »Es ist nur ein Katzensprung von Nizza nach Eze. Das heißt, Sophie hätte längst dort sein müssen, wenn sie vor zwei Tagen zu ihrer Mutter aufgebrochen wäre.«
    »Jetzt, wo Jens Asmus weiß, dass die Behörden ihn in Frankreich vermuten müssen, hat er das Land wahrscheinlich längst wieder verlassen.«
    »Und mit ihm vielleicht Sophie!«, ergänzte Bendt.

27. Kapitel
    B eate Tiedemann entschied sich, den langen Weg über die Klippen einzuschlagen, und wanderte los. Sie war bereits seit zwei Stunden unterwegs, dennoch hatte sich ihre Anspannung kaum gelegt.
    Was sollte sie ihrer Tochter bloß sagen, wenn sie plötzlich vor ihrer Tür stand? Wie sollte sie Sophie erklären, was sie all die Jahre davon abgehalten hatte, ihr eine Mutter zu sein und um sie zu kämpfen? Beate marschierte über den schmalen Pfad, der sie vom Abgrund trennte, und blickte hinunter auf das türkisblaue Meer, dessen Wellen sanft und rhythmisch gegen die Felsen schlugen. Immer wieder hielt sie an, stellte sich gefährlich nah an die Felskante und lehnte sich nach vorn, um hinunterzublicken.
    Genau an dieser Stelle hatte sie vor vierzehn Jah ren schon einmal gestanden und wäre gesprungen, wenn André nicht bei ihr gewesen wäre. Er war ihr gefolgt und hatte lange schweigend neben ihr gestanden und gemeinsam mit ihr in die Tiefe geschaut. Er hatte nicht versucht, nach ihrem Arm zu greifen und sie vom Felsen wegzuziehen. Er hatte gewusst, dass sie die Entscheidung über Leben und Tod nur allein treffen konnte. Sie erinnerte sich an diesen Tag, als ob es gestern gewesen wäre. Damals war sie noch die Frau von Oberstaatsanwalt Tiedemann gewesen.
    Er hat ihr gesagt, dass ich tot bin!, hatte sie mit tränenerstickter Stimme hervorgebracht, und ihr Blick war dem kleinen Felsbrocken gefolgt, der direkt vor ihren Füßen den Abgrund hinuntergestürzt war. Sie hatte kaum fassen können, dass ein Mann so grausam sein konnte, der eigenen Tochter zu sagen, die Mutter sei tot. Damals hatte sie sich tatsächlich danach gesehnt zu sterben. Sie hatte springen wollen, um ihren übermächtigen Schmerz zu ersticken.
    »Egal, was passiert«, hatte André sie erinnert, »diese Felsen und das Meer werden immer hier und wunderschön sein. Deine Sorgen werden vorbeiziehen, sie werden sich auflösen, irgendwann.«
    »Sophie glaubt, dass ich tot bin. Er will, dass ich tot bin«, hatte sie immer wieder geschluchzt, während sich ihre Hand um das Stück Papier gekrampft hatte. Es war sein Brief, ein Brief von ihrem Mann, den sie am Morgen aus dem Briefkasten genommen hatte.
    Beate , lautete die Anrede mit derselben herzlosen Sachlichkeit, in der der gesamte Brief

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