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Gewitterstille - Kriminalroman

Gewitterstille - Kriminalroman

Titel: Gewitterstille - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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verfasst war. Wie ein x-beliebiges Schreiben, das er in seiner Eigenschaft als Oberstaatsanwalt routinemäßig aufsetzte.
    Ich hatte Dir mit meinem letzten Brief eine Entscheidungsfrist gesetzt, die am vergangenen Sonntag ergebnislos verstrichen ist. Du bist nicht zurückgekehrt. Ich gebe Dir deshalb zur Kenntnis, dass ich Sophie am Dienstag mitgeteilt habe, dass Du tödlich verunglückt bist. Die Nachricht war naturgemäß erschütternd für sie, aber sie wird schnell darüber hinwegkommen. Sophie hat einen starken Charakter, so wie ich ihn habe. Ich werde Deine Freundin Karin bitten, Dich regelmäßig über Sophies Entwicklung zu unterrichten, und ihr Lichtbilder von Sophie zur Verfügung stellen, damit sie Dir diese übersenden kann.
    Es ist das Beste so, für uns alle.
    Leb wohl,
    Klaus
    Bevor sie zu den Klippen hinaufgegangen war, hatte sie den Brief wieder und wieder gelesen. Sie hatte am Frühstückstisch gesessen und war zunächst wie erstarrt gewesen, weil sie es nicht hatte glauben wollen. Er hatte es sich leicht gemacht, denn er hatte gewusst, dass sie zu schwach war, um gegen ihn anzutreten. Indem er sie totsagte, konnte er seine selbstgefällige Version der Wirklichkeit auch zu der der anderen machen. Er wollte sie als herzloses Wesen sehen, das ihren Mann und ihr Kind verraten hatte. Er wollte nicht wahrhaben, dass sie vor ihm hatte fliehen müssen, um nicht zugrunde zu gehen. Beate war so in ihre Gedanken an die Vergangenheit versunken, dass sie gar nicht bemerkte, als André neben sie trat.
    »Ich habe mich gefragt, wo du so lange steckst«, sagte er und blickte sie mit seinen graugrünen Augen an, aus denen Liebe und Sorge sprachen.
    »Weißt du noch, wie wir hier vor vierzehn Jahren gestanden haben?« Beate blickte hinunter auf das türkisfarbene Meer.
    »Natürlich weiß ich das.« André strich ihr liebevoll über den Arm. »Ich bin dir gefolgt, nachdem ich den Briefumschlag auf dem Küchentisch gefunden hatte, den dein Exmann dir damals geschrieben hat.«
    »Ich hätte um Sophie kämpfen müssen. Ich hätte sie niemals aufgeben dürfen.« Beate schloss die Augen und konnte für einen Moment wieder nachempfinden, welche Versuchung es damals für sie bedeutet hatte, durch einen Sprung in den Abgrund vor der Welt zu fliehen.
    »Hab keine Angst davor, ihr zu begegnen. Sie wird versuchen, dich zu verstehen. Du hattest damals nicht die Kraft, um sie zu kämpfen.«
    Beate erinnerte sich an die Depressionen, unter denen sie gelitten hatte. Es hatte Tage gegeben, an denen sie sich nicht imstande gefühlt hatte, den Frühstückstisch allein abzudecken. Die Wände des Reihenhauses in der Lübecker Vorstadt waren täglich näher an sie herangerückt und hätten sie erdrückt, wenn André sie nicht gerettet hätte.
    »Sie ist hübsch, nicht wahr?«, sagte Beate und spielte damit auf das Porträt an, das am Morgen in den französischen Zeitungen abgebildet gewesen war.
    »Sie ist fast so schön wie du!«, antwortete er lächelnd, und aus seinen Augen sprach die gleiche Bewunderung, die sie schon wahrgenommen hatte, als er ihr das erste Mal begegnet war. Sie hatte gemeinsam mit ihrem Mann das mittelalterliche Eze besucht. Es war eine der wenigen Gelegenheiten gewesen, bei denen sie Klaus auf seinen Ausflügen begleitet hatte. Meist war sie in der Pension geblieben, in der sie sich gerade aufhielten, froh darüber, nicht in seiner Nähe sein zu müssen, die ihr die Luft zum Atmen nahm. Der wunderschöne Ort mit seinen steilen Treppen und gewundenen Gässchen hatte sie auf Anhieb verzaubert. Noch heute fand Beate, dass es keinen Ort gab, der eine schönere Aussicht auf die Côte d’ Azur bot, als das mittelalterliche Felsennest. Zur Ferienzeit hatte der Ort den leidigen Nebeneffekt, dass die Touristen zu Hunderten durch die Gassen promenierten und sich vor den unzähligen Restaurants, Kunsthandwerksstätten und Boutiquen drängten. Damals hatten sie Eze außerhalb der Ferienzeit an einem Tag Anfang Mai besucht und die Ruinen der mittelalterlichen Burg und den terrassenförmig angelegten Tropengarten bewundert, bevor sie durch den Ortskern geschlendert waren. Sie hatte vor Andrés Feinkostladen unter der grün-weiß gestreiften Markise gestanden und sich die Auslage im Fenster angesehen, während sich ihr Mann am gegenüberliegenden Zeitungsstand mit Lektüre eingedeckt hatte. André verstand es, die Weine, den Schinken und die Vielfalt der Käsesorten so schlicht und dennoch so verführerisch zu dekorieren, dass

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