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Gewitterstille

Gewitterstille

Titel: Gewitterstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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abgelegenen Plätzen im Auto verbracht und war nahezu stündlich aufgeschreckt, wenn er ungewohnte Geräusche vernommen hatte. Er hatte keinen einzigen Cent mehr in der Tasche und seit nahezu vierundzwanzig Stunden außer zwei aufgeweichten Müsliriegeln, die er im Handschuhfach des Autos gefunden hatte, nichts gegessen. Ihn quälte die Frage, warum Sophie seine SMS - Nachrichten unbeantwortet ließ, die er mit einem gebrauchten Handy schrieb, das er samt Prepaid-Card in einem Handyshop gekauft und wofür er sein letztes Geld ausgegeben hatte. Noch jetzt trieb ihm der Gedanke an das von ihm mit Händen und Füßen geführte Gespräch mit dem Verkäufer den Angstschweiß auf die Stirn. Er witterte überall die Gefahr, entdeckt zu werden, zumal sei ne Herkunft aufgrund seiner dürftigen Kenntnisse der fran zösischen Sprache bereits auf den ersten Blick zu erkennen war. Mit jedem Tag fiel es ihm schwerer, sich unter Menschen zu begeben, weil sein ungepflegtes Äußeres Aufmerksamkeit zu erregen begann. Er hatte den Garten erreicht und lugte über die Rosenbüsche, um zu ergründen, ob die Bewohner bereits schliefen. Er konnte nur hoffen, dass man Sophie angesichts ihrer Behinderung im unteren Teil des Hauses untergebracht hatte. Als unten das Licht eingeschaltet wurde, duckte er sich und spähte vorsichtig durch die Hecke. Durch das Fenster konnte er erkennen, dass es sich bei dem Raum um die Küche handeln musste. Ein Mann öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Wein heraus. Dann griff er nach einem Glas und öffnete die Tür in den Garten, wo er sich im Schein der Außenlampe auf eine weiße Gartenbank setzte, die Teil einer Sitzgruppe war.
    Mist, dachte er. Es war zu gefährlich, den Rückweg anzutreten. Ihm blieb nur die Möglichkeit, abzuwarten, bis der Kerl seinen Platz wieder verließ, oder zu versuchen, im Schutz der Hecke auf die andere Seite des Hauses zu gelangen. Er entschied sich für Letzteres, hielt jedoch abrupt inne, als er plötzlich eine ihm vertraute Stimme vernahm. Ihm stockte der Atem, als er die Staatsanwältin erkannte, die ebenfalls mit einem Weinglas in der Hand auf die Terrasse trat und ihrem Gegenüber auffordernd das Glas entgegenstreckte. Plötzlich stach ihn eine Mücke so schmerzhaft in den Nacken, dass er zusammenzuckte. Er zerquetschte das Insekt zwischen seinen Fingern. Ange ekelt blickte er auf das Blut, das sich auf seinen Fingerkuppen neben den Überresten der Mücke verteilt hatte, und wischte es an seiner Hose ab. Der Tod war nur die gerechte Konsequenz für dieses Mistvieh.
    Er blieb auf seinem Platz und beobachtete wie gebannt die zwei Personen auf der Terrasse, während er die weiteren ihn umschwirrenden Blutsauger zu ignorieren versuchte. Was wollte denn diese Anna Lorenz hier? Sein Unbehagen wuchs. War sie vielleicht der Grund dafür, dass Sophie sich nicht bei ihm meldete? Ihn überkam erneut eine ungeheure Wut auf diese Frau, die aus seiner Sicht für seine ganze Misere verantwortlich war. Er sah zu dem Mann hinüber, der Anna Lorenz lässig gegenübersaß. Auch aus der Ferne erkannte er sicher, dass der Mann zu jung war, um Beates Ehemann zu sein. Der kräftige Brustkorb und die sportliche Statur, die durch sein enges weißes Leinenhemd noch unterstrichen wurden, ließen jedenfalls die Vermutung zu, dass es sich um einen Polizisten handeln könnte. Jens Asmus’ Kehle fühlte sich trocken an, und die heiße Abendluft schien ihn plötzlich zu erdrücken. Wenn seine Befürchtung richtig war, konnte er einpacken. Vielleicht wimmelte es an diesem Ort nur so von Polizisten. Vielleicht würde er Sophie überhaupt nicht mehr antreffen, und man hatte ihr Handy konfisziert und sie längst nach Deutschland verfrachtet, um hier in aller Seelenruhe auf ihn zu warten. Er widerstand dem Impuls, sofort aufzuspringen und davonzustürmen. Er musste herausfinden, wo Sophie war. Dieses Risiko musste er einfach eingehen. Ohne ihr Geld war er verloren. Er atmete einmal tief durch, dann schlich er im Schutz der Hecke gebückt voran.
    »Der Wein ist köstlich«, sagte Bendt und prostete Anna zu. Ihm war anzusehen, dass er sich über das unerwartete Zusammentreffen mit ihr freute. Anna ließ sich lächelnd neben ihm auf der Bank nieder und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Weinglas, bevor sie ihren Kopf zurückfallen ließ. Sie sog den Duft der lauen Sommernacht ein und machte es sich gemütlich, indem sie ihre Beine auf dem gegenüberliegenden Gartenstuhl ausstreckte. »Ich habe

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