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Gewitterstille

Gewitterstille

Titel: Gewitterstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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lassen, dass er tot ist.
    »Hey«, rief die Stimme, und schon bald fühlte sie, dass ihr Vater seine Arme um ihre Schultern schlang und sie schüttelte. Sie versuchte sich aus seiner Umarmung zu lösen, doch er ließ sie nicht los.
    »Hey, wach auf, verdammt – du weckst noch das ganze Haus auf.« Es dauerte einen Moment, bis Sophie begriff, wo sie war und dass sie geträumt hatte.
    »Jens, um Himmels willen, wie kommst du hier rein?« Sophie zitterte am ganzen Körper. Sie war schweißnass, und ihr dünnes Nachthemd klebte an ihrem Körper. Jens, der auf ihrer Bettkante saß, presste seine Hand auf ihre Lippen und blickte sich gehetzt um.
    »Du hast geträumt«, zischte er leise. Sophie war immer noch etwas benommen von ihrem grauenhaften Traum und musste erst einmal begreifen, dass Jens wirklich vor ihr saß. Er sah aus wie ein gehetztes Tier. Sein Haar war wirr und staubig, und die ungepflegten Bartstoppeln in seinem Gesicht schienen binnen weniger Tage auf bizarre Weise gewuchert zu sein. Sophie ignorierte den Geruch von Schweiß und saurem Atem und schlang ungestüm ihre Arme um seinen Hals. Sie hätte weinen mögen vor Freude. Liebevoll ließ sie ihre Hand über sein Gesicht gleiten, das grau aussah im hereinfallenden Mondlicht. Seine Wangen wirkten hohl, und die dunklen Ränder unter seinen aus tiefen Höhlen blickenden Augen ließen ihn unendlich müde aussehen. Sophie kam das Bild eines von Jägern gehetzten Fuchses in den Sinn. Jens lauschte angespannt. Seine Augen glitten ruhelos zwischen Sophie und dem Fenster hin und her, und sein Körper schien vor Anspannung zu beben. Endlich löste er seine Hand von ihrem Mund und blickte sie an. Sophie küsste erst seine Stirn und dann seine trockenen Lippen, sie ließ ihre Hände durch sein struppiges Haar gleiten und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
    »Bist du verrückt hierherzukommen?«, flüsterte sie so leise sie konnte. »Anna ist hier, und sie hat einen Polizisten im Schlepptau. Du kannst auf keinen Fall bleiben.«
    »Ich weiß.« Jens schob sie in ihr Kissen zurück und behielt weiterhin das Fenster im Auge. »Ich hab sie auf der Terrasse gesehen. Warum, zum Teufel, hast du dich nicht bei mir gemeldet und mich gewarnt? Du wolltest mir doch eine SMS schicken und Geld für mich besorgen.« Sein vorwurfsvoller Blick traf Sophie mitten ins Herz. In seinem Ausdruck konnte sie Misstrauen und Wut lesen. Es war, als würde er damit ihre Freude über das Wiedersehen einfach wegwischen.
    Sophie zog sich die Decke bis zum Hals, denn sie merkte, dass ihr in dem schweißnassen Nachthemd kalt wurde.
    »Ich konnte dich nicht warnen. Die haben mich ständig im Auge behalten. Ich glaube, dass sie mein Handy überwachen. Wenn ich Kontakt zu dir aufgenommen hätte, hätten sie mich bestimmt sofort ins Kreuzverhör genommen.«
    »Wieso sind die überhaupt hier? Woher wissen die denn, dass ich hier bin?« Jens griff Sophie bei den Schultern, und seine harten Finger gruben sich fest in ihre Oberarme.
    »Die haben die Sache mit dem Auto rausgekriegt. Die wissen alles, und du tust mir weh, verdammt.« Sophie begann zu weinen.
    »Psst, beruhige dich, Sophie, bitte.«
    Er lockerte seinen Griff und nahm ihr Gesicht in seine rauen Hände. Dann küsste er sie hastig, aber fest, und als seine Zunge in ihren Mund eindrang, stöhnte Sophie auf, und für einen Moment spürte sie ein so starkes Verlangen nach ihm, dass sie Raum und Zeit zu vergessen drohte.
    »Du musst mir helfen, Sophie«, sagte er heiser. »Ich brauche dich, hörst du.« Er ließ seine Hand über ihre Brüste zu ihrem Hals emporgleiten und sah sie durchdringend an. Das gehetzte Tier, das Sophie noch kurz zuvor gesehen hatte, schien verschwunden. Plötzlich wirkte er sicher und entschlossen.
    »Ich brauche Geld, hörst du! Ich muss so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
    Er wischte mit dem Daumen eine Träne von Sophies Wange.
    »Ich habe zweihundert Euro«, sagte sie.
    »Mehr nicht?« Jens sah verzweifelt aus.
    »Ich habe doch gesagt, dass die mich bewachen. Wenn ich eine größere Summe abgehoben hätte, hätten die mich keine Sekunde mehr aus den Augen gelassen.«
    »Gut, macht nichts. Hast du das Haus durchsucht? Wo bewahren die hier ihr Geld auf? Du musst mir was besorgen. Wenn es kein Bargeld ist, dann irgendetwas, das ich verkaufen kann.«
    »Ich kann das nicht tun, Jens.« Es kostete Sophie Mut, diese Worte auszusprechen.
    »Was heißt das, du kannst das nicht tun?«
    »Ich kann ihr

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