Gewitterstille
wenn man so will. Er hat das mit Petra durchgemacht, was Luise mit ihrem Mann schon hinter sich hatte. Luise war oft sehr verzweifelt, weil Petra so krank war. Sie sagte immer, dass Petra ohne ihren Mann verloren sei. Deshalb wundert es mich umso mehr, dass er nicht bei der Beerdigung aufgetaucht ist.«
»Na ja, vielleicht hat sie sich wirklich getrennt und ist auch deshalb hier in Lübeck geblieben.«
»Möglich.«
Emily zog ihre Mutter am Hosenbein, und Anna merkte erst jetzt, dass es schon spät war und die Kleine längst ins Bett gehörte.
»Ich muss leider los, Frau Martin. Der Gedanke, dass meine zukünftigen neuen Nachbarn in ein Haus einziehen, in dessen früherem Gartenhaus sich ein Mensch umgebracht hat, ist schon irgendwie merkwürdig.«
»Ja, das ist er.«
Anna verließ das Haus der alten Dame mit einem unguten Gefühl im Bauch.
39. Kapitel
D ie Luft in dem kleinen Vernehmungszimmer wurde immer stickiger. Asmus standen Schweißperlen auf der Stirn. Braun hatte das kleine Fenster am Ende des Raumes bewusst geschlossen, und der Mangel an Sauerstoff machte Asmus mürbe. Er schien hundemüde zu sein, und das kam Braun gerade recht. Die Nacht hatte er in einem Gefangenentransport von Stuttgart nach Hamburg verbracht, und Braun hatte ihm keine Zeit zum Ausruhen gelassen, sondern so schnell wie möglich über die Staats anwaltschaft eine Ausführungsgenehmigung aus dem Untersuchungsgefängnis beantragt und erhalten.
»Wann genau haben Sie noch gleich Frau Möbius gefunden?«, fragte Braun jetzt zum x-ten Mal. Herausfordernd stützte er sich mit beiden Händen auf den Vernehmungstisch und blickte Asmus scharf an, der den Rücken instinktiv gegen die Lehne seines Stuhls presste, als könnte er sich so seinem Gegenüber entziehen.
»Das habe ich doch schon tausendmal gesagt!«, brachte er zähneknirschend hervor. »Ich habe sie gar nicht gefunden. Ich habe sie an dem Tag überhaupt nicht gesehen.«
»Merkwürdig«, sagte Braun gedehnt und zog den Beleg für den Verkauf der Goldmünzen aus seiner Tasche. Er studierte das Blatt, als sehe er es zum ersten Mal. »Hier steht, dass Sie die Münzen genau einen Tag nach Luise Möbius’ Tod versetzt haben. Ist doch ein toller Zufall, oder nicht?«
»Ich hab die Münzen nicht geklaut, verdammt! Sie hat sie mir geschenkt.«
»Geschenkt!« Braun pfiff durch die Zähne »Münzen im Wert von ungefähr 6000 Euro, tolles Geschenk. Ich frage mich gerade, wann ich das letzte Mal von jemandem ein Geschenk für 6000 Euro bekommen habe. Muss schon ’ne Weile her sein.«
Braun blickte in Richtung der einseitig verblendeten Glasscheibe an der rechten Wand, hinter der Bendt saß und aus dem Nebenraum die Vernehmung von Asmus unbemerkt verfolgen konnte. Braun war gezwungen gewesen, Bendt offiziell von dem Fall abzuziehen. Nachdem Asmus ihn angeschossen hatte, konnte er natürlich nicht mehr als neutraler Ermittler betrachtet werden. Überdies war er krankgeschrieben. Braun bedauerte es zutiefst, die Befragung nicht gemeinsam mit dem jungen Kollegen durchführen zu können, mit dem er für derartige Fälle eine konstruktive Vernehmungstaktik entwickelt hatte.
»Sie pflegen ja auch keine alten Leute«, sagte Asmus. »Außerdem hatte die Möbius außer mir niemanden mehr.«
»Niemanden? Immerhin hatte sie doch eine Tochter, oder etwa nicht?«
»Die mochten sich aber nicht, das habe ich Ihnen auch schon gesagt.« Asmus sah Braun aus seinen müden, blutunterlaufenen Augen giftig an.
»Okay, okay«, beschwichtigte Braun sein Gegenüber. »Aber weshalb sollte sie ausgerechnet Ihnen solche großzügigen Geschenke gemacht haben?«, fragte er und blätterte in seiner Ermittlungsakte. »Ich habe hier Aussagen, dass sie Freundinnen hatte, die sie teils über viele Jahre kannte und denen sie nichts geschenkt hat. Warum also ausgerechnet Ihnen?«
»Weil Sie mich mochte, auch wenn Sie sich das vielleicht nicht vorstellen können.«
»Und wann hat sie Ihnen nun diese Münzen geschenkt? Einfach so – oder gab es einen konkreten Anlass?«
»Zum Geburtstag.«
»Zum Geburtstag!« Braun hob die Brauen. »Sie sind im Februar geboren, wenn Ihr Geburtsdatum in meiner Akte korrekt angegeben ist, wovon ich mal ausgehe. Was hat Sie denn veranlasst, die Münzen erst Monate später – rein zufällig kurz nach dem Tod von Frau Möbius – zu verkaufen, anstatt sie schon im Februar oder März zu versetzen?«
Asmus schien nachdenken zu müssen. »Ich brauchte zu der Zeit eben das Geld!«, sagte
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