Gezähmt von sanfter Hand
lagen. »Und wir haben uns gefragt, ob du vielleicht ein paar Vorschläge zu machen hättest?«
Wir? Wen genau meint sie damit? Richard, der sich deutlich einer gewissen Spannung in der Luft bewusst war, legte nachdenklich die Stirn in Falten und blickte auf die Listen und Flurpläne hinab. »Ich nehme doch stark an«, erwiderte er, »dass du dich mit der hiesigen Felderwirtschaft besser auskennst als ich.«
»Wir hatten uns gedacht, dass Ihr – wo Ihr doch schon so viel mit dem Vieh gemacht habt –, äh, also dass Ihr da vielleicht auch ein paar Tipps hättet, was wir dieses Jahr auf den einzelnen Feldern anbauen sollten.« Melchett sah Richard starr an.
Richard erwiderte seinen durchbohrenden Blick, dann sah er flüchtig McArdle an, dann schaute er wieder auf die auf dem Tisch ausgebreiteten Landkarten. »Wenn Ihr mich nach Anbaumethoden und Fruchtwechselschemata in Cambridgeshire fragen würdet, dann könnte ich Euch genauestens Auskunft geben. Aber hier? In den verschiedenen Teilen des Landes gibt es einfach zu viele Variablen in puncto Klima, Bodenbeschaffenheit und so weiter, als dass man da so ohne weiteres Vergleiche anstellen könnte. Was wir im Süden anbauen, wird hier im Norden mit Sicherheit nicht so gut gedeihen. Mit dem Vieh ist das allerdings etwas anderes – die Grundprinzipien gesunder, profitabler Viehwirtschaft sind überall die gleichen.«
»Aber Ihr müsst doch ein paar Ideen haben«, bohrte Melchett. »Ein paar grundlegende Prinzipien, wie Ihr gerade eben sagtet.«
Allein um Catrionas willen widerstand Richard dem Drang, die Augen zu Schlitzen zu verengen und den Mann energisch in seine Schranken zu weisen, und schaltete stattdessen von seiner instinktiven Rolle als Catrionas Beschützer auf die ihres Beraters um. »Der einzig wirklich zuverlässige Maßstab der Effektivität beim Getreideanbau ist der Ernteertrag pro Hektar. Wenn Ihr diese Zahlen vorliegen hättet« – er blickte McArdle an und zog fragend die Brauen hoch –, »dann könnte ich Euch sagen, ob Ihr Eure Sache gut macht oder ob Ihr noch mehr tun müsst.«
»Erträge, Erträge …« McArdle blätterte eifrig in dem riesigen, abgegriffenen Hauptbuch, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Da sind sie.« Er drehte das Hauptbuch herum, damit Richard die Aufstellung lesen konnte. »Die Zahlen für die letzten fünf Jahre.«
Richard warf einen Blick auf die Zahlenkolonnen, stutzte – und sah dann noch einmal ganz genau hin. Er hatte beachtliche Zahlen zu sehen erwartet – Jamie hatte ihm ja erzählt, dass das Tal fruchtbar sei und gute Ernten einbrächte. Aber was da vor seinen vor Überraschung riesengroß werdenden Augen herumtanzte, waren Ertragszahlen, die durchweg mehr als fünfzig Prozent über den landläufigen Höchstwerten lagen und somit seine kühnsten Erwartungen noch übertrafen. Und dabei war er in einer der ertragreichsten Gegenden Englands aufgewachsen! In diesem Sinne also fiel auch seine Antwort aus – in einem Ton, in dem ehrfürchtiges Erstaunen mitschwang. »Das sind ganz zweifellos die besten Zahlen, die ich jemals gesehen habe.« Richard reichte das schwere Hauptbuch wieder an McArdle zurück, der jetzt übers ganze Gesicht grinste. Dann warf Richard einen flüchtigen Blick zu Melchett hinüber. »Wie immer Ihr bisher auch verfahren seid, ich würde Euch dringend raten, nichts daran zu ändern, sondern genauso weiterzumachen.«
»Oh! Hmm, nun denn …« Der große, stämmige Mann straffte die Schultern. »Wenn das so ist …«
Richard richtete sich wieder auf und blickte lächelnd auf Catriona hinab. »Ich lasse euch jetzt allein, damit ihr mit eurer Arbeit weitermachen könnt.« Als er sich zum Gehen wandte, fügte er noch hinzu: »Ach, übrigens, da fällt mir ein … erinnere mich daran, dafür zu sorgen, dass mein Bruder und mein Cousin Vane eine Gelegenheit bekommen, dich ausführlich zu befragen, wenn wir zusammentreffen.« An der Tür drehte Richard sich noch einmal kurz um und fing Catrionas Blick auf. »Sie werden bestimmt ganz versessen darauf sein, die Geheimnisse deines landwirtschaftlichen Erfolgs zu erfahren.«
Damit überließ er die drei wieder sich selbst – Catriona mit weit aufgerissenen Augen, McArdle noch immer grinsend und Melchett in sehr viel bescheidenerer Stimmung.
»Catriona.«
Catriona – gerade auf dem Weg durch die Küche zur Scheune, um der Reitstunde der Kinder beizuwohnen, die dort momentan im Gange war – hielt abrupt inne und drehte sich mit einer schwungvollen
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