Gezähmt von sanfter Hand
rappelte sie sich mühsam vom Boden auf und zuckte zusammen, als ihre steifen, völlig verkrampften Muskeln gegen die Bewegung protestierten. Sie humpelte zu einem in der Nähe stehenden Sessel und ließ sich in die Polster fallen, ihr Blick prüfend auf Richard konzentriert.
Die Krise war noch nicht ausgestanden. Das Gift hatte ihn noch immer in seiner Gewalt; er brauchte Catriona noch immer als seinen Rettungsanker.
Catriona seufzte, dann erhob sie sich mit steifen Gliedern aus dem Sessel und hinkte zum Klingelzug hinüber. Von heute an würde sie sich bei der Nachtwache mit anderen abwechseln müssen, mit anderen, auf die sie sich verlassen konnte, und sie würde darauf vertrauen müssen, dass sie sie sofort riefen, wenn Richard wieder in die Schattenwelt zu entgleiten drohte.
Sie konnte es einfach nicht riskieren, abermals von Erschöpfung übermannt zu werden und Richard stundenlang unbeobachtet zu lassen.
Dank Mrs. Broom und der Köchin konnte Catriona die nächste Nacht durchschlafen – und das war auch nur gut so, denn der Morgen brachte eine Herausforderung mit sich, von der sie eigentlich angenommen hatte, dass sie sich ihr erst in einigen weiteren Tagen würde stellen müssen.
»Wie um alles in der Welt haben sie es geschafft, so schnell herzukommen?« Catriona stand neben McArdle auf der Vordertreppe und beobachtete, wie die riesige schwarze Reisekutsche, gezogen von sechs großen, kraftvollen schwarzen Pferden, schaukelnd und schwankend durch den Park heraufgerollt kam. Sie brauchte nicht erst das auf den Türen des Gefährts prangende vergoldete Familienwappen zu sehen, um zu wissen, wer da zu Besuch kam.
»Müssen die ganze Nacht durchgereist sein – sonst könnten sie unmöglich jetzt schon hier sein.« In McArdles schroffem Ton schwang eine Andeutung von Anerkennung mit. »Muss ja doch mächtig an seinem Bruder hängen, der Herzog.«
Das war die unliebsame Schlussfolgerung, zu der auch Catriona gekommen war – die Auseinandersetzung mit Richards Bruder drohte, sich zu einem Kampf zu entwickeln, den zu gewinnen einiges an Kraft kosten würde, und sie wusste nicht, ob sie diese Kraft überhaupt noch aufbringen konnte. Sie unterdrückte den Drang, ihre beiden Kristallanhänger zu umklammern, und straffte die Schultern; dann hob sie unter Aufbietung jedes noch verbliebenen Körnchens ihrer Kraft und Autorität das Kinn, richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und bereitete sich innerlich darauf vor, die Bekanntschaft ihres Schwagers zu machen.
Wie der Zufall es wollte, sollte sie jedoch zuerst ihre Schwägerin kennen lernen. Eine hoch gewachsene, imposante männliche Gestalt streckte ihre langen Beine aus und kletterte aus der Kutsche, kaum dass das Gefährt zum Halten gekommen war, doch er machte keine Anstalten, sich Catriona zu nähern, sondern wandte sich – nachdem er sich mit einem kurzen, prüfenden Blick im Hof umgesehen hatte – erst einmal wieder der Kutsche zu, um einer Dame beim Aussteigen behilflich zu sein. Tatsächlich musste er besagte Dame herausheben, da sie ganz eindeutig nicht bereit war zu warten, bis das Trittbrett heruntergeklappt worden war.
In dem Moment, in dem ihre Füße das Kopfsteinpflaster berührten, eilte sie auch schon vorwärts, ihr Blick auf Catriona geheftet. Die Dame war schlicht, aber elegant gekleidet und trug einen dicken wollenen Umhang über einem Reisekleid in einem warmen, intensiven Braunton; ihr kastanienbraunes Haar war zu einem einfachen Chignon aufgesteckt, aus dem sich bereits einige Strähnen gelöst hatten. Sie war größer als Catriona, mit fein geschnittenen Zügen, die in diesem Moment zu einem neutralen, unverbindlichen Ausdruck arrangiert waren. Ihr Blick war fest und direkt, ihre ganze Haltung und ihr Auftreten ließen erkennen, dass sie eine Dame war, die es gewohnt war, zu gebieten. Catriona wappnete sich innerlich, als die junge Frau am Fuße der Treppe kurz den Blick senkte, ihre Röcke raffte und dann die Stufen heraufgeschritten kam.
Auf dem obersten Absatz angekommen, ließ sie ihre Röcke wieder fallen und blickte Catriona offen in die Augen. »Du armes Mädchen!«
Im nächsten Moment fand Catriona sich in einer zart duftenden Umarmung wieder.
»Wie furchtbar für dich! Du musst dir von uns helfen lassen, wie und wo wir nur können!«
Als sie wieder losgelassen wurde, taumelte Catriona unwillkürlich; ihr drehte sich alles im Kopf und sie hatte Mühe, zu ihrer gewohnten Gelassenheit zurückzufinden.
»Ist das dein
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