Gezähmt von sanfter Hand
verschränkt, starrte er gedankenverloren zum Betthimmel hinauf. Doch je länger er an den Traum dachte, desto lebhafter kam er ihm wieder in Erinnerung und weigerte sich schließlich sogar ganz, im kalten Morgenlicht zu verschwinden. Je angestrengter er darüber nachdachte, desto klarer kristallisierten sich gewisse Details heraus, desto intensiver waren die sinnlichen Erinnerungen.
»Hirnverbrannt!« Er schlug die Bettdecke zurück und setzte sich auf.
Er wusch und rasierte sich, kleidete sich an und schlüpfte in seinen Gehrock. Dann eilte er hinab ins Erdgeschoss. Trotz seines Entschlusses, sich nicht mehr mit diesen verwirrenden Gedanken zu beschäftigen, wollte dieser Traum ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen. Er erschien ihm jetzt noch realer, noch detaillierter.
Mit zusammengepressten Lippen trat Richard in die Eingangshalle. Wenn man bedachte, dass er in letzter Zeit recht enthaltsam lebte, zugleich jedoch unter einem Dach mit einer verführerischen Hexe, wenn man seine bewussten und unbewussten erotischen Fantasien berücksichtigte, die er bereits um Catriona gesponnen hatte, dann war es vielleicht doch nicht so verwunderlich, dass sie nun auch in seinen Träumen erschien.
Gelassen schlenderte Richard in den Frühstücksraum und war sich seiner Verspätung voll bewusst. Er nickte Seamus' langweiligem Hauspersonal höflich zu, füllte seinen Teller und trug ihn zu seinem Platz hinüber. Das Objekt seiner lüsternen Träume war nicht anwesend, aber sie war ja als Frühaufsteherin bekannt.
Heiteres morgendliches Geplauder gehörte im McEnery House nicht zur Tagesordnung, was Richards Stimmung sehr entgegenkam. Er aß schweigend. Und er war verteufelt hungrig. Er hatte seinen Teller bereits halb geleert, als von der Halle her hastige Schritte ertönten. Alle sahen auf.
Catriona eilte herein.
Ihre Blicke prallten aufeinander, und sie blieb wie angewurzelt stehen, als ob sie gegen eine Mauer gelaufen sei. Einen Augenblick lang starrte sie Richard an, der Ausdruck auf ihrem Gesicht war nicht zu deuten.
»Ach, sieh einer an! Ich hatte mich schon gefragt, wann du endlich aufstehen würdest.«
Algarias missbilligende Bemerkung brach schließlich den Bann. Richard hätte nicht sagen können, wer diesen Bann heraufbeschworen hatte – er oder Catriona. Oder irgendeine andere Macht.
Catriona blickte kurz zu Algaria hinüber und setzte sich schließlich ebenfalls an den Tisch. »Ich … ähm, habe verschlafen.«
»Als ich vorhin in dein Zimmer geschaut habe, hast du geradezu wie eine Tote dagelegen.«
»Hmm.« Ohne irgendjemanden anzusehen, nahm sich Catriona eine große Portion des traditionellen Frühstücksgerichts aus Fisch und harten Eiern, das der Butler ihr reichte, anstatt des üblichen Tees und Toasts.
Richard blickte mit gerunzelter Stirn zuerst auf ihren, dann auf seinen Teller. Er fragte sich, ob es wohl möglich war, dass Menschen ihre Träume miteinander teilten.
Schnee- und Graupelschauer peitschten um das Haus herum – es war ein entsetzlich langweiliger Tag. Catriona, der durch das Wetter jegliche Chance auf einen erfrischenden Spaziergang versagt worden war, machte sich daran, die alten Bestände der Vorratskammer auszumisten. Wie sich herausstellte, hatte sich seit ihrem letzten Besuch in diesem Haus niemand mehr dieser Aufgabe gewidmet. Sie erwies sich folglich als so aufwändig, dass Catriona kaum Gelegenheit fand, einmal ernsthaft über das Problem namens Richard nachzudenken.
Genau genommen war Catriona sich der Situation erst wirklich bewusst geworden, als sie am Morgen in den Frühstückssalon geeilt war. Jedoch war dieses Problem auch nicht vorhersehbar gewesen, genauso wenig, wie sie die plötzliche Ernsthaftigkeit ihrer Liaison mit Richard hatte vorausahnen können.
Mit ihm, der der Vater ihres Kindes sein würde.
Catriona bekam allerdings gar nicht die Chance, sich gründlich Gedanken darüber zu machen oder zu überlegen, wie sich ihre Einstellung gegenüber Richard nur so rasch geändert haben konnte. Und ob das bedeutete, dass sie ihren Plan vielleicht noch einmal revidieren könnte, revidieren sollte, oder ob er nun sicherer oder gefährlicher geworden war.
Richard war an diesem Morgen sichtlich verwirrt und beunruhigt gewesen – und genau das hatte Catriona nicht einkalkuliert. Und in seinen Augen hatte Catriona sogar noch Schlimmeres entdeckt – eine vage Erinnerung an die vergangene Nacht. Sie war aufgrund der Drogen in seinem Whisky davon ausgegangen, dass
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