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Gezeiten der Liebe

Gezeiten der Liebe

Titel: Gezeiten der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Roberts
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durfte nicht fortgehen. Nicht jetzt. Nicht bevor ...

    »Willst du eine Tasse Kaffee?« Sie stieß die Frage überhastet hervor, mit schriller Stimme, wie sie zu spät bemerkte.
    »Nein, danke.« Er drehte sich um. »Schläft sie fest?«
    »O ja, alles in Ordnung.«
    »Sie sieht dir so ähnlich.«
    »Findest du?«
    Er sah, wie sie den Blick auf ihn heftete, wie ihre Augen im gedämpften Licht der Lampe glänzten. Flüchtig schien es ihm, als gäbe es nur noch diesen Moment, als habe es vorher nichts gegeben und würde danach nichts mehr geben. Nur sie drei, in stillen Nächten wie dieser, in dem kleinen Puppenhaus. Es könnte seine Zukunft sein. Er wollte so gern daran glauben...
    »Ich möchte bleiben. Ich möchte heute nacht mit dir zusammensein wenn du auch willst.«
    »Ich will es. Natürlich will ich es.« Sie glaubte zu verstehen. Zuerst wollte er ihr seine Liebe zeigen. Mehr als bereit, streckte sie die Hand aus. »Komm ins Bett, Ethan.«
    Er achtete darauf, zärtlich zu sein, sie durch sanfte Liebkosungen zum Höhepunkt zu bringen. Dort hielt er sie dann, hielt sie so lange, bis ihr Körper sich aufbäumte, ein zitternder Tumult von Gefühlen. Er beobachtete, wie der Mond ihre Haut mit Lichtflecken sprenkelte, folgte den wechselnden Schatten mit seinen Fingerspitzen, mit den Lippen. Bereitete ihr Lust.
    Liebe hüllte sie ein. Wiegte sie in ihren Armen. Schaukelte sie im sanften Rhythmus der ruhigen See. Während sie dahinglitt, gab sie ihm mit vollen Händen zurück, ein schimmerndes Spiegelbild seiner selbst.
    Seine Zärtlichkeit rührte sie zu Tränen. Inzwischen wußte sie, wie rauh und rücksichtslos sein Verlangen sein konnte. Auch das erregte sie. Doch dieser Teil von ihm, dieser einfühlsame, sensible, großzügige Teil von ihm traf sie mitten ins Herz. Immer tiefer sank sie in den bodenlosen Brunnen der Liebe hinab.

    Als er in sie glitt, sich mit ihr vereinte, fing sein Mund jeden ihrer Seufzer ein. Sie stieg auf und verhielt bebend auf dem seidenweichen Gipfel, länger und länger, bis er ebenfalls erschauerte und sie einander auf dem langsamen Flug nach unten auffangen konnten.
    Hinterher zog er sie in seine Arme und streichelte sie. Die Augen fielen ihr zu. Jetzt, dachte sie. Er würde sie jetzt fragen, solange sie beide noch von der Liebe glühten.
    Während sie noch wartete schlief sie ein.
     
    Er war zehn Jahre alt. Von den letzten Prügeln, die sie ihm verabreicht hatte, war auf seinem Rücken ein Netz aus violett verfärbten Blutergüssen zurückgeblieben. Er hatte furchtbare Schmerzen. Ins Gesicht schlug sie ihn nie. Sie hatte schnell gelernt, daß die meisten Kunden nichts davon hielten, wenn die Ware Veilchen und blutige Lippen aufwies.
    Auch ihre Fäuste gebrauchte sie jetzt kaum noch. Einen Gürtel oder eine Haarbürste fand sie wirkungsvoller. Sie bevorzugte die dünnen, runden Bürsten, die praktisch nur aus harten Borsten bestanden. Als sie das erstemal eine benutzt hatte, war der Schock so groß, waren die Schmerzen so unerträglich gewesen, daß er sich gewehrt und ihr die Lippen blutig geschlagen hatte. Danach hatte sie noch einmal ihre Fäuste benutzt, bis er sich in die Bewußtlosigkeit flüchtete.
    Ihm war klar, daß er es nicht mit ihr aufnehmen konnte. Sie war groß und kräftig. Und wenn sie betrunken war, wuchsen ihre Kräfte und ihre Brutalität noch. Es half nichts, zu betteln, es half nichts, zu weinen, deshalb hatte er mit beidem aufgehört. Und die Schläge waren auch nicht so schlimm wie das andere. Nichts konnte so schlimm sein.
    Als sie ihn das erste Mal verkauft hatte, bekam sie zwanzig Dollar für ihn. Das wußte er, weil sie es ihm erzählt
hatte. Sie versprach, ihm zwei Dollar abzugeben, wenn er keinen Ärger machte. Er hatte nicht gewußt, wovon sie sprach. Damals noch nicht. Er hatte es nicht gewußt, bis sie ihn mit dem Mann in dem dunklen Schlafzimmer allein ließ.
    Selbst da wußte er noch nicht Bescheid, begriff es nicht. Erst als sich die großen, feuchten Hände auf seinen Körper legten, wurde seine Angst so grell, die Scham so dunkel, der Schrecken so ohrenbetäubend – so ohrenbetäubend laut wie seine Schreie.
    Er hatte geschrien, bis nur noch ein heiseres Wimmern aus seinem Mund kam. Nicht einmal die Schmerzen der Vergewaltigung konnten ihm noch einen Laut entlocken.
    Sie händigte ihm die zwei Dollar tatsächlich aus. Er hatte sie verbrannt, dort in dem schmutzigen Waschbecken in dem gräßlichen Badezimmer, in dem es nach seinem eigenen

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