Gezeiten der Liebe
Ethan sie in die Arme und küßte sie auf die Wange. »Ich wollte sagen ...«
»Nein, Kuß für Mama.« Aubrey schaukelte in seinen Armen hin und her und kniff in seine Lippen, damit er den Mund spitzte. »Kuß für Mama.«
»Aubrey!« Entsetzt griff Grace nach ihr, doch Aubrey
klammerte sich an Ethans Hemd fest wie ein kleines Äffchen. »Laß Ethan doch mal in Ruhe.«
Schnell änderte Aubrey ihre Taktik, schmiegte ihren Kopf an seine Schulter und lächelte ihn einschmeichelnd an. Mit einem Arm hing sie wie eine Klette an Ethans Hals, als Grace sie wegzuziehen versuchte. »Kuß für Mama«, säuselte sie und klimperte mit den Wimpern.
Hätte Grace gelacht statt derart verlegen und sogar eine Spur ängstlich zu reagieren, dann hätte Ethan ihr einen Kuß auf die Stirn gegeben, und damit wäre die Sache erledigt gewesen. Aber ihre geröteten Wangen waren einfach zu verführerisch. Sie wich angestrengt seinem Blick aus und atmete fast schon hektisch.
Als er sah, wie sie sich auf die Unterlippe biß, beschloß er, sich diese Gelegenheit auf gar keinen Fall entgehen zu lassen.
Er legte die Hand auf Grace’ Schulter, so daß Aubrey zwischen ihnen eingekeilt war. »Machen wir’s doch so«, murmelte er leise und berührte sanft ihre Lippen mit den seinen.
Grace schlug das Herz bis zum Hals. Als Kuß konnte man es kaum bezeichnen, denn es war vorüber, ehe es richtig begonnen hatte. Eigentlich war es nur die Ahnung eines Kusses, ein Hauch von Sinnlichkeit und Nähe. Die Ahnung eines Versprechens, das die altbekannte verzweifelte Sehnsucht in ihr aufwallen ließ.
In all den Jahren, die er sie kannte, hatte Ethan nie den Versuch unternommen, sie zu küssen. Jetzt, nach dieser flüchtigen Kostprobe, fragte er sich, warum er so lange damit gewartet hatte. Zugleich machte er sich Sorgen, daß sich dadurch alles verändern könnte.
Aubrey klatschte vergnügt in die Hände, doch er nahm es kaum wahr. Grace schaute ihn aus feuchten, verschleierten Augen an. Ihre Gesichter waren einander sehr nah, so nah, daß er sich nur vorzubeugen brauchte, um noch
einmal von ihren Lippen zu kosten – und sich diesmal entschieden mehr Zeit zu lassen, dachte er, als sich ihre Lippen öffneten und sie zitternd Luft holte.
»Nein, ich!« Aubrey drückte ihren kleinen weichen Mund erst auf die Wange ihrer Mutter, dann aufs Ethans Wange. »Kommt spielen.«
Grace zuckte zurück wie eine Marionette, an deren Fäden man gerissen hatte. Die weiche rosarote Wolke, die ihren Verstand umnebelte, verpuffte. »Gleich, Schätzchen.« Rasch nahm sie Ethan ihre Tochter ab und stellte sie auf den Boden. »Geh du schon mal und bau eine Burg, in der wir wohnen können.« Sie gab Aubrey einen zärtlichen Klaps auf den Po, und das Mädchen lief los.
Grace räusperte sich. »Du bist wirklich lieb zu ihr, Ethan. Dafür bin ich dir sehr dankbar.«
Ethan dachte sich, daß es unter den obwaltenden Umständen wohl das beste wäre, wenn er die Hände in die Taschen steckte. Sonst konnte er nicht für sich garantieren. »Sie ist ein kleiner Engel.« Langsam drehte er sich zu Aubrey um, die in ihrem roten Sandkasten spielte.
»Und ganz schön anstrengend.« Grace seufzte. Sie mußte endlich wieder zu sich kommen. Auf sie wartete noch eine Menge Arbeit. »Warum vergessen wir unser Gespräch von gestern abend nicht einfach, Ethan? Ich bin sicher, daß du es nur gut gemeint hast. Leider ist aber die Wirklichkeit nicht immer so, wie wir es uns vorstellen oder wie wir es gern hätten.«
Er wandte sich ihr wieder zu und heftete seinen sanften Blick auf ihr Gesicht. »Wie hättest du die Wirklichkeit denn gern, Grace?«
»Ich will, daß Aubrey ein Heim und eine Familie hat. Und ich glaube, diesem Ziel bin ich schon ziemlich nahe gekommen.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, nein – was wünschst du dir für dich, für Grace?«
»Außer ihr?« Sie schaute zu ihrer Tochter hinüber und lächelte. »Ich erinnere mich nicht mal mehr daran. Im Moment möchte ich nur den Rasen mähen und das Unkraut jäten. Und ich bin froh, daß du vorbeigekommen bist.« Sie wandte sich ab und machte sich wieder an dem Rasenmäher zu schaffen. »Morgen komme ich zu euch.«
Sie erstarrte, als seine Hand sich um ihre schloß.
»Ich mähe das Gras für dich.«
»Das schaffe ich schon.«
Dabei konnte sie den blöden Rasenmäher nicht mal in Gang setzen, dachte er, war jedoch klug genug, es nicht zu sagen. »Ich habe auch nicht behauptet, daß du es nicht schaffen kannst. Ich sagte
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