Gezeiten der Liebe
am Zeh steckte, in den Boden. Beinahe wäre der Motor angesprungen, aber eben nur beinahe.
»Laß ihn einen Moment verschnaufen. So säuft er nur dauernd ab.«
Diesmal schnellte das Seil mit unheilverkündendem Knirschen ins Gehäuse zurück. »Ich weiß, wie ich meinen eigenen Rasenmäher bedienen muß.«
»Das glaube ich dir unbesehen – aber nur wenn du nicht sauer bist. Wut ist ein schlechter Ratgeber.« Er kam näher, während er das sagte – schlank und lässig in verwaschenen Jeans und Arbeitshemd, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen aufgekrempelt waren.
Als auf sein Läuten niemand reagiert hatte, war er ums Haus herum in den Garten gegangen. Ihm war bewußt, daß er ungehörig lange dagestanden und sie betrachtet hatte. Aber sie sah einfach zu verlockend aus.
Irgendwann in der letzten, schlaflos verbrachten Nacht hatte er sich überlegt, daß er einen Weg finden mußte, sich wieder mit ihr zu versöhnen. Und den heutigen Morgen hatte er damit zugebracht, über das Wie nachzudenken. Dann hatte er sie gesehen, ihre langen schlanken Beine und Arme, die das Sonnenlicht mit einem blaßgoldenen Schimmer überzog, das sonnengelbe Haar, die schmalen Hände. Da hatte ihr Anblick alles andere verdrängt.
»Ich bin nicht sauer«, zischte sie ungeduldig, womit sie ihre Behauptung Lügen strafte. Er schaute ihr nur in die Augen.
»Hör zu, Grace . . .«
»Eee-than!« Jubelnd kletterte Aubrey aus dem Sandkasten und stürzte Hals über Kopf zu ihm, mit ausgebreiteten Armen und vor Vergnügen leuchtendem Gesicht.
Er fing sie auf und schwang sie hoch durch die Luft. »Hallo, Aubrey.«
»Komm spielen!«
»Na ja, ich ...«
»Kuß.«
Sie spitzte so angestrengt die Lippen, daß er lachen mußte, bevor er ihr einen Kuß auf den Mund drückte.
»Gut!« Sie entwand sich seinen Armen und rannte zum Sandkasten zurück.
»Schau mal, Grace, es tut mir leid, wenn ich gestern abend Mist geredet habe.«
Daß bei dem Anblick, wie er ihre Tochter umarmte, ihr Herz dahingeschmolzen war, festigte nur ihren Entschluß, nicht nachzugeben. »Mist geredet?«
Nervös verlagerte er sein Gewicht. »Ich meinte bloß ...«
Er wurde unterbrochen, als Aubrey mit ihren geliebten Stoffhunden auf ihn zugestürmt kam. »Kuß«, forderte sie wild entschlossen und hielt sie Ethan hin. Er gehorchte und wartete, bis sie wieder davonrannte.
»Was ich meinte ...«
»Ich denke, du hast klar und deutlich gesagt, was du meintest, Ethan.«
Sie wollte also stur bleiben, dachte er und seufzte. Nun ja, so war sie immer schon gewesen. »Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt. Mit Worten hab’ ich’s meistens nicht so. Es gefällt mir nur nicht, wenn du so schwer arbeiten mußt.« Er hielt geduldig inne, als Aubrey zurückkam und nun auch noch einen Kuß für ihren Bären einforderte. »Ich mache mir Sorgen um dich, das ist alles.«
Grace legte den Kopf schief. »Warum?«
»Warum?« Die Frage brachte ihn vollends aus dem Konzept. Er bückte sich, um das Stoffhäschen zu küssen, mit
dem Aubrey gegen sein Bein schlug. »Na ja, ich ... ich tu’s nun mal.«
»Weil ich eine Frau bin?« schlug sie vor. »Weil ich alleinerziehende Mutter bin? Weil mein Vater der Meinung ist, daß ich seinen Namen entehrt habe? Weil ich nicht nur heiraten mußte, sondern mich anschließend auch noch habe scheiden lassen?«
»Nein.« Er trat noch einen Schritt näher und küßte zerstreut die Katze, die Aubrey ihm jetzt hinhielt. »Sondern weil ich dich mein halbes Leben lang kenne und du deshalb zu einem Teil meines Lebens geworden bist. Und weil du zu stur oder zu stolz bist, um zu akzeptieren, daß es jemandem einzig und allein darum geht, dir zu helfen.«
Sie wollte sagen, daß sie ihm dankbar für seine Anteilnahme sei und spürte, wie ihr Ärger verpuffte. Dann verdarb er jedoch alles.
»Und weil ich es nicht ertragen kann, wenn irgendwelche hergelaufenen Kerle dich begrapschen.«
»Mich begrapschen?« Sie straffte die Schultern und reckte trotzig das Kinn vor. »Mich haben keine hergelaufenen Kerle begrapscht, Ethan. Und falls es jemals dazu kommen sollte, werde ich mich schon zu wehren wissen.«
»Bitte reg dich nicht wieder auf.« Er kratzte sich am Kinn und unterdrückte mühsam einen Stoßseufzer. Es hatte keinen Sinn, mit einer Frau zu streiten – man konnte nie gewinnen. »Ich bin hergekommen, um mich bei dir zu entschuldigen, und um vielleicht ...«
»Kuß!« forderte Aubrey und versuchte, an seinem Bein hochzuklettern.
Mechanisch nahm
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