Gezeiten der Liebe
Grace, wie sie zielstrebig darauf zusteuerte. Grace hatte ihn selbst gebaut. Für die Einfassung hatte sie alte Bretter benutzt, die sie erst sorgfältig glatt geschliffen und dann scharlachrot gestrichen hatte. Im Sand lagen Eimer, Schaufeln und große Plastikautos bereit, doch Aubrey würde nichts davon anrühren, bevor sie nicht ihre Kuscheltiere ausgebreitet hatte.
Eines Tages, gelobte sich Grace, würde Aubrey einen lebendigen
kleinen Hund haben, und ein so großes Spielzimmer, daß sie Freunde zu sich einladen und die langen Regennachmittage dort verbringen konnte.
Als Aubrey behutsam ihre Spielgefährten auf den weißen Sand setzte, hockte Grace sich neben sie. »Du bleibst schön hier und spielst, während ich den Rasen mähe, ja?«
»Ist gut.« Aubrey schaute strahlend zu ihr hoch. Auf ihren Wangen erschienen Grübchen. »Spielst du dann mit?«
»Gleich.« Zärtlich strich sie Aubrey über die Locken. Sie konnte nicht genug davon bekommen, das kleine Wunder, das aus ihrem Bauch gekrochen war, zu berühren. Bevor sie sich aufrichtete, sah sie sich prüfend um – der Blick einer Mutter, die nach möglichen Gefahren für ihren Liebling Ausschau hielt.
Der Garten war von einem Zaun umschlossen, und am Tor hatte sie eigenhändig ein kindersicheres Schloß angebracht, zumal Aubrey von Natur aus neugierig und unternehmungslustig war. Längs des Zauns, der ihr Haus vom Grundstück der Cutters trennte, wuchs dichtes Weinlaub, das die Holzlatten bis zum Ende des Sommers mit einem Meer von Blättern bedecken würde.
Nebenan rührte sich noch nichts, stellte Grace fest. Es war noch zu früh an diesem Sonntag morgen, als daß ihre Nachbarn anderes im Sinn gehabt hätten, als in aller Ruhe zu frühstücken. Julie Cutter, die älteste Tochter, war ihr Babysitter – hochgeschätzt, weil ohne sie gar nichts lief.
Sie bemerkte, daß Julies Mutter, Irene, am Tag zuvor im Garten gearbeitet hatte. Kein einziges Unkraut wagte es, in Irene Cutters Blumenbeeten oder in ihrem Gemüsegarten das freche Haupt zu erheben.
Verlegen blickte Grace zum hinteren Teil ihres Gartens, wo Aubrey und sie Tomaten, Bohnen und Karotten gepflanzt hatten. Dort schoß das Unkraut derzeit ungehindert in die Höhe. Darum würde sie sich kümmern,
nachdem der Rasen gemäht war. Wie hatte sie nur auf den Gedanken verfallen können, sie hätte Zeit für einen eigenen Garten? Andererseits war es so lustig gewesen, die Erde umzugraben und zusammen mit ihrer Kleinen den Samen auszusäen.
Und wieviel Spaß es erst machen würde, jetzt zu ihr in den Sandkasten zu steigen, Burgen zu bauen und neue Spiele zu erfinden! Nein, das läßt du schön bleiben, befahl sich Grace und erhob sich. Das Gras stand fast knöchelhoch. Es mochte ja ein gemieteter Rasen sein, aber im Moment gehörte er ihr, allein sie war dafür verantwortlich. Und niemand sollte sagen, daß Grace Monroe ihre Verantwortung nicht wahrnahm.
Den alten Benzinmäher aus zweiter Hand bewahrte sie unter einer ebenfalls altersschwachen Deckplane auf. Wie gewöhnlich überprüfte sie zunächst den Benzinstand und warf dabei einen Blick über ihre Schulter, ob Aubrey auch noch brav im Sandkasten saß. Dann packte sie das Anlasserseil mit beiden Händen und zog fest daran. Der Motor keuchte, stotterte und – nichts.
»Komm schon, fall mir heute morgen nicht auf den Wecker.« Sie konnte schon nicht mehr zählen, wie oft sie an der vorsintflutlichen Maschine herumgebastelt, Ersatzteile besorgt oder einfach mit beiden Fäusten auf sie eingehämmert hatte. Sie lockerte ihre strapazierten Schultern, dann zog sie noch einmal an dem Seil, und noch ein drittes Mal, bevor sie aufgab und die Finger auf die Augen preßte. »Konnte ja auch nicht anders sein.«
»Streikt der Motor?«
Ihr Kopf fuhr herum. Nach ihrem gestrigen Krach war Ethan der letzte, mit dem Grace gerechnet hatte. Darüber freuen konnte sie sich nicht, zumal sie sich immer wieder eingeschärft hatte, daß sie das Recht hatte, wütend auf ihn zu sein, und daß sie ihm nicht so schnell verzeihen durfte. Noch schlimmer war, daß sie genau wußte, wie
schlampig sie aussah – alte graue Shorts und ein T-Shirt, das schon viel zu oft in der Waschmaschine gesteckt hatte, kein Make-up und nur flüchtig gekämmtes Haar.
Mist. Aber sie hatte sich eben für die Gartenarbeit angezogen und nicht für Männerbesuch.
»Ich komm’ schon zurecht.« Sie zerrte erneut an dem Seil und stemmte dabei den Fuß, der in einem Stoffschuh mit einem Loch
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