Gezeiten der Liebe
Sandwiches und literweise Limo mitgenommen. Er sagt, sie hätten in eurer Bootswerkstatt zu tun.«
Ethan verspürte leichte Gewissensbisse bei dem Gedanken, daß Phillip jetzt nicht nur dort arbeitete, sondern obendrein auch noch drei kleine Jungen beaufsichtigen mußte. »Ich gehe gleich auch hin.«
»Ethan, wenn du keine Zeit mehr hast ...«, begann Grace.
»Ich habe immer Zeit, ein Eis mit einem hübschen Mädchen zu essen.« Mit diesen Worten hob er Aubrey in die Höhe und ließ es zu, daß sie ihre Nase an dem Glastresen plattdrückte, in dem die Behälter mit den verschiedenen hausgemachten Eissorten standen.
Liz nahm die nächste Bestellung entgegen, sah ihren Mann an und zuckte mit den Augenbrauen. Der Blick sprach Bände. Ethan Quinn und Grace Monroe, sagte er klar und deutlich. Wer hätte das gedacht?
Sie nahmen das Eis mit nach draußen, wo eine warme Brise vom Wasser her wehte, und entfernten sich langsam von dem Menschengewühl, um sich auf eine der kleinen schmiedeeisernen Bänke zu setzen, für die die Stadtväter Geld gesammelt hatten. Grace, bewaffnet mit einem Stapel Servietten, nahm Aubrey auf den Schoß.
»Ich weiß noch, wie wir hier saßen und du jeden, der
vorbeikam, beim Namen nennen konntest«, begann Grace leise. »Mutter Crawford stand immer hinter dem Tresen und schmökerte in einem Liebesroman.« Sie spürte, wie ein dicker Tropfen von Aubreys Eis knapp unter dem Saum ihrer Shorts auf ihrem Bein landete, und wischte ihn ab. »Leck erst außen herum ab, Schätzchen, sonst schmilzt dir noch alles.«
»Du hast auch immer Erdbeereis gegessen.«
»Hmm?«
»Ich erinnere mich noch genau«, sagte Ethan, selbst überrascht, wie klar ihm das Bild vor Augen stand. »Du hattest eine Schwäche für Erdbeereis. Und für Pampelmuse.«
»Ja, stimmt.« Grace’ Sonnenbrille rutschte ihr an der Nase herunter, als sie sich vorbeugte, um weitere Tropfen von ihrem nackten Oberschenkel abzuwischen. »Alles schien so einfach, wenn man sich ein Erdbeer – oder Pampelmuseneis holte.«
»Manche Dinge bleiben immer einfach.« Da Grace gerade keine Hand frei hatte, stupste Ethan ihre Sonnenbrille wieder nach oben – und sah hinter den getönten Gläsern etwas in ihren Augen aufblitzen, das er sich nicht zu deuten wußte. »Und manche werden komplizierter.«
Während er sein Eis schleckte, blickte er aufs Wasser hinaus. Viel besser so, dachte er, als zu beobachten, wie Grace träge und genüßlich an ihrem Eis leckte. »Früher sind wir sonntags hin und wieder hierher gekommen«, fuhr er fort. »Wir stiegen alle ins Auto und fuhren in die Stadt, um ein Eis oder ein Sandwich zu essen – oder um einfach zu sehen, was hier so abging. Mom und Dad saßen gern an einem der Tische mit Sonnenschirm und tranken Limonade.«
»Sie fehlen mir«, sagte Grace leise. »Für dich muß es noch viel schlimmer sein. In dem Winter, als ich Lungenentzündung hatte ... Ich erinnere mich noch genau an
meine Mutter und an deine. Wenn ich aufwachte, saß immer eine von ihnen an meinem Bett. Dr. Quinn war die warmherzigste Frau, die ich jemals gekannt habe. Meine Mama ...«
Sie brach ab und schüttelte den Kopf.
»Ja?«
»Ich will dich nicht traurig machen.«
»Das passiert schon nicht. Sprich weiter.«
»Meine Mutter geht jedes Jahr im Frühling auf den Friedhof und legt Blumen auf ihr Grab. Und ich begleite sie. Bis ich das erste Mal mitkam, wußte ich nicht, wie sehr meine Mutter an ihr gehangen hat.«
»Ich habe mich immer gefragt, von wem die Blumen wohl stammen. Schön, es endlich zu wissen. Dieses Gerede... was manche Leute über meinen Vater sagen ... sie hätte Zustände gekriegt. O ja, sie hätte die Lästerzungen schon in ihre Schranken gewiesen.«
»Ich weiß, worauf du hinauswillst. Aber das ist nicht deine Art, Ethan. Mit solchen Dingen muß jeder auf seine Art fertig werden.«
»Sie würden beide wollen, daß wir tun, was für Seth das Beste ist. Das stünde für sie an erster Stelle.«
»Ihr gebt ihm doch alles, was er braucht. Jedesmal, wenn ich ihn sehe, wirkt er eine Spur unbeschwerter. Als er hierherkam, war er so eingeschüchtert, so in sich gekehrt. Professor Quinn hat getan, was in seiner Macht stand, aber er hatte genug eigene Probleme. Du weißt, wie viele Probleme er hatte, Ethan.«
»Ja.« Und die Schuld wog so schwer wie ein Felsblock, der ihm das Herz abdrückte. »Ich weiß.«
»Jetzt hab’ ich dich doch traurig gemacht.« Sie beugte sich zu ihm, so daß ihre Knie sich
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