Gezeiten der Liebe
Dachboden verstauen und durch Skulpturen ersetzen, deren Bedeutung niemand verstand.
Sie biß die Zähne zusammen, als sie die Vorhänge auf die Stangen zog und zurechtzupfte.
Die schönen alten Fußböden würde irgendein teurer Teppichboden verdecken; die Wände würden in einer grellen Farbe gestrichen, von der einem die Augen tränten. Ärger wallte in ihr auf, als sie ins Bad marschierte, um ein paar frühe Rosenknospen in einer flachen Schale anzuordnen.
Jeder vernünftige Mensch konnte sehen, daß das Haus
nur ein wenig herausgeputzt werden mußte, hier und dort eine Spur mehr Farbe brauchte. Wenn sie bei den Quinns etwas sagen hätte ...
Sie hielt inne, als sie merkte, daß sie die Hände zu Fäusten geballt hatte und ihr Gesicht, das sie im Spiegel über dem Waschbecken sah, rot angelaufen war. »Oh, Grace, was ist denn bloß mit dir los?« Sie schüttelte den Kopf und mußte beinahe über sich lachen. »Zunächst mal hast du nichts zu sagen, und zweitens weißt du ja noch gar nicht, ob sie irgend etwas verändern will.«
Es ging schlicht und einfach darum, daß Anna es tun konnte, wenn sie wollte, gestand Grace sich ein. Und selbst wenn man nur die kleinste Kleinigkeit änderte, konnte es danach nie wieder so wie früher sein.
Ethan empfand etwas für sie, dachte sie und seufzte über ihr Spiegelbild. Und was empfand er? Sie war keine Schönheit, und sie war nie üppig genug gewesen, um sexy zu wirken. Hin und wieder zog sie zwar die Blicke eines Mannes auf sich, aber das war auch schon alles.
Sie war weder witzig noch besonders gescheit, konnte weder geistreiche Unterhaltungen führen noch flirten. Jack hatte ihr einmal gesagt, sie strahle Verläßlichkeit aus. Und er hatte sie beide eine Zeitlang davon überzeugt, daß es das war, was er suchte. Aber Verläßlichkeit war keine Eigenschaft, die einen Mann auf Dauer fesselte.
Wenn sie höhere Wangenknochen hätte, oder ausgeprägtere Grübchen ... oder dichtere, dunklere Wimpern ... Und wenn nur die reizvolle Naturlocke nicht eine Generation übersprungen hätte, so daß ihr Haar aussah wie glattgebügelt ...
Was empfand Ethan, wenn er sie ansah? Sie wünschte, sie hätte den Mut, ihn danach zu fragen.
Schaute sie hin – sah sie nur ein durchschnittliches Gesicht.
Wenn sie tanzte, hatte sie sich nicht durchschnittlich
gefühlt. Sie fühlte sich schön, wie etwas Besonderes, und dachte, daß ihr Name endlich zu ihr paßte. Versonnen probierte sie einen Plié, ging tief in die Knie und erhob sich dann wieder. Sie hätte schwören können, daß ihr Körper lustvoll seufzte. Da es zu schön war, um jetzt schon aufzuhören, begann sie eine Schrittfolge, an die sie sich von früher erinnerte und die mit einer langsamen Pirouette endete.
»Ethan!« kreischte sie. Das Blut schoß ihr in die Wangen, als sie ihn in der Tür stehen sah.
»Ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich hab’s nicht übers Herz gebracht, dich zu unterbrechen.«
»Oh ... na gut.« Entsetzlich verlegen griff sie nach ihrem Putzlappen und drehte ihn in den Händen. »Ich hab’ nur ... hier saubergemacht.«
»Du warst immer schon eine sehr anmutige Tänzerin.« Er hatte sich fest vorgenommen, sich wieder genauso zu verhalten wie früher, deshalb lächelte er sie freundschaftlich an. »Tanzt du immer durchs Bad, wenn du dort putzt?«
»Macht das nicht jeder?« Sie gab sich Mühe, sein Lächeln zu erwidern, doch ihre Wangen brannten immer noch. »Ich dachte, ich wäre fertig, bevor ihr zurückkommt. Aber das Wischen und Bohnern hat wohl mehr Zeit in Anspruch genommen als vorgesehen.«
»Sieht nett aus hier. Foolish hat schon eine Rutschpartie hingelegt. Ich staune, daß du es nicht mitbekommen hast.«
»Ich hab’ mit offenen Augen geträumt. Ich dachte, ich hätte ...« Dann gelang es ihr, wieder klar zu denken und ihn richtig anzuschauen. Er war schmutzig, verschwitzt, ölverschmiert und weiß Gott was sonst noch alles. »Du hast doch nicht etwa vor, hier zu duschen?«
Ethan hob eine Braue. »Der Gedanke ist mir flüchtig gekommen.«
»Nein, das geht nicht.«
Als sie einen Schritt vortrat, wich er zurück. Er konnte sich gut vorstellen, wie er im Augenblick roch. Das allein war Grund genug, um auf Distanz zu gehen; hinzu kam, daß sie so frisch und hübsch aussah. Er hatte den feierlichen Schwur abgelegt, ihr nie wieder zu nahe zu kommen, und diesen Schwur wollte er halten.
»Wieso nicht?«
»Weil ich keine Zeit mehr habe, hier danach noch mal sauberzumachen,
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