Gezeiten der Liebe
ihr zu suchen.
Die Kissen waren alle aufgeschüttelt, die vom Staub befreiten Möbel glänzten. Als es über seinem Kopf leise knarrte, schaute er zur Decke empor.
Fortuna mußte es gut mit ihm meinen. Grace war in seinem Zimmer – wie hätte er es perfekter inszenieren können? Es wäre viel einfacher, sie am hellen Tag ins Bett zu locken, wenn gleich eines neben ihr stand.
Er ging die Treppe hoch und hörte entzückt, daß sie vor sich hinsummte.
Dann durchfuhr ihn ein Blitz unwiderstehlicher Begierde, als er sah, daß sie nicht nur neben seinem Bett stand, sondern fast schon darin lag. Sie bückte sich und zog gerade ein frisches Laken auf. Die abgeschnittenen Jeans ließen ihre langen Beine sehen.
Das Blut schäumte mit einer Schnelligkeit durch seine Adern, die ihm den Atem nahm, und steigerte die unterschwellige Sehnsucht, mit der zu leben er gelernt hatte, zu scharfem, nagendem Ziehen. Schon sah er vor sich, wie er einen Satz nach vorn machen, sie aufs Bett drücken und ihr die Kleider herunterreißen würde, um ungehindert in sie eindringen zu können.
Und weil er es tun konnte, weil er es tun wollte, zwang er sich, an Ort und Stelle stehenzubleiben, bis er sicher war, daß er sich wieder fest im Griff hatte.
»Grace?«
Sie richtete sich auf, fuhr herum und preßte eine Hand auf ihr Herz. »Oh ... Ich ... oh.« Sie konnte nicht sprechen, konnte kaum zusammenhängend denken. Was würde er von ihr halten, fragte sie sich benommen, wenn er wüßte, daß sie sich vorgestellt hatte, wie sie beide sich nackt und verschwitzt auf diesem frischen, sauberen Laken wälzten?
Ihre Wangen hatten sich gerötet, was er höchst reizvoll fand. »Ich wollte mich nicht anschleichen.«
»Ist schon gut.« Sie stieß die Luft aus, doch es half nichts. Ihr Herz hörte nicht auf zu hämmern. »Ich hab’ nicht damit
gerechnet, daß jemand ... Was machst du so früh schon zu Hause?« Sie verschränkte schnell die Hände, um sie nicht nach ihm auszustrecken. »Bist du krank?«
»Nein.«
»Es ist noch nicht mal drei.«
»Ich weiß.« Er trat näher, sah, daß sie die Lippen zusammenpreßte, sie befeuchtete. Immer schön langsam, ermahnte er sich, jag ihr bloß keine Angst ein. »Aubrey ist nicht bei dir?«
»Nein, Julie paßt auf sie auf. Julie hat ein neues Kätzchen, und Aubrey wollte bei ihr bleiben, um...« Er roch nach Meer, Salz und Sonne. Ihr wurde schwindlig davon.
»Dann haben wir ja ein wenig Zeit für uns.« Er kam noch ein Stück näher. »Ich wollte dich sehen ...«
»Ach ja?«
»Ich will dich sehen, seit wir uns in jener Nacht geliebt haben.« Er hob die Hand und umfaßte sacht ihren Nacken. »Ich begehre dich«, sagte er leise und näherte sich ihren Mund.
Er war so sanft, so zärtlich, daß sich ihr das Herz in der Brust umdrehte. Ihre Knie wurden weich, fingen an zu zittern, als sie die Arme um ihn schlang und mit feuriger Leidenschaft auf den zögernden Kuß reagierte. Seine Finger gruben sich in ihr Fleisch, sein Mund preßte sich hart auf den ihren. Einen wilden, verbotenen Moment lang dachte sie, er werde sie im Stehen nehmen, schnell, überstürzt, ungehemmt.
Dann wurde sein Griff wieder sanfter, seine Hände glitten an ihrem Körper hinab. Mit weichen Lippen streifte er ihren Mund. »Komm mit mir ins Bett«, murmelte er, »komm mit mir ins Bett«, während er sie bereits nach unten drückte und sich auf sie legte.
Sie drängte sich ihm entgegen, willig, ungeduldig wegen der Kleider, die sie noch voneinander trennten. Es schienen Jahre vergangen zu sein, seit sie ihn das letztemal
berührt, zum letztenmal diese feste Haut, diese stählernen Muskeln gespürt hatte. Sie hauchte seinen Namen, schob sein Hemd hoch, nahm ihn mit den Händen in Besitz und erregte ihn.
Sein stoßweiser Atem brannte ihm in der Kehle. Ihre Bewegungen drängten ihn vorwärts, schneller und schneller, doch er fürchtete, ihr weh zu tun, wenn er sich nicht mehr Zeit ließ, ganz behutsam war. Deshalb kämpfte er mit sich, um das Tempo zu drosseln, zu kosten statt zu verschlingen, zu liebkosen statt zu fordern.
Wenn sie ihn beim erstenmal noch verführt hatte, so war er ihr jetzt endgültig verfallen.
Er zog ihr das Shirt aus und stellte fest, daß sie darunter nackt war. Sie sah das Aufblitzen in seinen Augen, sah, wie sie sich zu feurigem Blau verwandelten, das beinahe ihre Haut versengte. Er war vorsichtig, übervorsichtig, um ihr nicht weh zu tun, sie nicht zu ängstigen. Langsam, ganz langsam – während ihn
Weitere Kostenlose Bücher