Gezeiten des Krieges
wie ein Börsenmakler, groß, aber unsportlich. Er steckte das Telefon zurück an den Gürtel.
»Nachdem wir jetzt alle beisammen sind«, erklärte Hahn, während er seinen Becher in Empfang nahm und David ein paar Stones gab - die Währung der Republik, die Evan sich zu benutzen weigerte -, »wird uns Evan möglicherweise darüber aufklären, was los ist.«
»Ja.« David biss in sein Teilchen. »Weshalb hast du angerufen?«
Evan nahm einen Schluck aus seinem Becher. Na-ranjisaft schmeckte köstlich, wie eine Mischung aus Erdbeere und Orange. Morgens mochte er ihn aber lieber mit einem Schuss Pampelmuse. »Kann ich nicht einfach vor der Vorlesung meine Freunde sehen wollen?«, fragte er und grinste, als er die ungläubigen Gesichter bemerkte. »Na schön.« Er schob den Stuhl zurück und stand auf. »Kommt mit.«
Während sie sich unterwegs durch die Einschienenfahrgäste schoben, erläuterte er das näher. »Ich habe es heute Morgen beim Joggen entdeckt. Das ist meine übliche Strecke, damit ich mir zum Abschluss einen Ji-Go genehmigen kann.« Er klapperte mit dem Eis in seinem Becher. Jen und David verzogen das Gesicht. Sie konnten den süßlichen Geschmack von Naranji nicht ausstehen. Er warf den leeren Becher in einen Abfalleimer am Straßenrand. »Stattdessen lief ich zurück, mein Telefon zu holen, und habe euch angerufen. Ich dachte mir, das werdet ihr sehen wollen.«
Sie bogen um eine weitere Ecke, gingen an einem Bento-Restaurant entlang, mit einem beneidenswerten Standort nur eine Querstraße vom Haupttor des Konservatoriums, und weiter am Park vorbei. Die kleine Kadettengruppe blieb stehen, sobald sie die Ecke erreichte. Sie standen auf der anderen Seite der Straße vor dem Konservatorium, doch von hier aus hatten sie bessere Sicht, denn unter dem Torbogen drängte sich eine Menschenmenge durch die überrannte Polizeiabsperrung.
Die Nachricht hatte sich in Windeseile herumgesprochen.
Neue Guerillakunst. Oder in den Augen wahrer Republikloyalisten, Graffiti-Vandalismus.
»Ja!« David hüpfte und stieß die Faust in die Höhe, so sehr freute er sich. Er verschüttete dabei heißen Kaffee über die andere Hand, was ihn aber nicht kümmerte. »Das ist toll.« Hahn lächelte nur, die grau verwaschenen Augen sicher hinter der dunkelroten Fliegerbrille verborgen.
Evan schaute sich nicht zu Jenna oder Mark um, um sein Pokerface zu wahren. Stattdessen starrte er über den langsam fließenden Verkehr und die versammelten Studenten hoch zu dem Steinbogen, der ursprünglich den Namen des Konservatoriums getragen hatte. Die Reliefbuchstaben waren weggebrannt, und der Laser hatte eine neue Inschrift in den Stein gefressen.
Yong yuän Liao Sün Zi!
Sun-Tzu Liao wird ewig leben.
»Ihr entschuldigt mich«, sagte Hahn und zog sein Mobiltelefon vom Gürtel. »Ich muss ein paar Anrufe machen.«
Der Wächter
»Lordgouverneur Hidi 9 , in den letzten Minuten hat uns ein Dutzend Anrufe über die Guerillakunst am Konservatorium heute Morgen erreicht. Möchten Sie einen Kommentar dazu abgeben? Glauben Sie, dass Sun-Tzu Liao ewig auf dieser Welt lebt? Lordgouverneur? Hallo?«
Man trifft sich, Sender XLDZ, Interview mit Marion Hidi 9 , 24. April 3134
Yiling (Chang-an), Provinz Qinghai, Liao Präfektur V, Republik der Sphäre
24. April 3134
Evan Kurst zählte mehr Jubelrufe und lachende Gesichter unter dem Torbogen als negative Reaktionen, aber der Vorsprung war nicht allzu groß. Und es herrschte erhebliche Unruhe. Während Hahn sich absonderte, um politische Fäden zu spinnen, drängten sich die anderen durch den dichten Pulk der Studierenden, Mark und David pflügten vorneweg.
»So etwas ist Vandalismus.« Mark Lo stampfte auf, als die Gruppe unter dem beschädigten Steinbogen hindurchtrat. Er weigerte sich, nach oben zu schauen. »Keine freie Meinungsäußerung.«
Evan verspürte einen Hauch von Mitleid für seinen Freund. Manchmal musste er es in einer Gruppe pro-capellanischer Kadetten recht schwer haben. Obwohl sie alle für verschiedene Programme eingeschrieben waren, die früher oder später im Militärdienst endeten, waren manche Studenten republikfreundlicher als andere. Mark zum Glück war liberal. Er glaubte, dass jeder Mensch, ob Bürger oder Einwohner, das Recht hatte, seine Meinung zu äußern. Manchmal biss sich diese Haltung allerdings mit seiner eigenen politischen Überzeugung.
Und mit Jennas.
»Glaubst du ernsthaft, die HM würden uns in der Nähe des Campus auch nur ein Schild aufstellen
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