Gezeiten des Krieges
war die Kunst, das eine zu fordern, um das andere zu bekommen. »Was wir gebrauchen könnten«, stellte er langsam fest, »wäre eine Verlagerung der 6. Hastati Sentinels von Gan Singh.«
Eve Kincaid musterte ihn kühl. Ihre winterblauen Augen verrieten weder Verachtung noch beleidigten Stolz. »Wollen Sie damit sagen, wir können die
Probleme vor Ort nicht selbst lösen?«, fragte sie mit beherrschter Stimme.
Laut Uniform hatte sie zwölf Dienstjahre hinter sich sowie zahlreiche Auszeichnungen für Tapferkeit und besondere Leistungen. Sie hatte gemeinsam mit einem kleinen Kader Ritter der Sphäre und Präfekt Shun Tao auf New Aragon gedient. Doch nachdem Elemente von McCarron's Armored Cavalry auf Liao gelandet waren, hatte sie Befehl erhalten, die Entwicklung zu untersuchen und Unterstützung zu leisten. Sie hatte eine Verbundwaffenkompanie der Principes-Garde mit nach Liao gebracht.
Ruskov hatte den Verdacht, dass sie ihn zusätzlich für Präfekt Tao im Auge behalten sollte. Angesichts der chaotischen Zustände in Präfektur V, wo es unmöglich war, sicher zu sagen, auf wen man sich verlassen konnte, nahm er das Tao auch gar nicht übel.
»Meiner Einschätzung nach sollten wir Liao auf der Stelle verstärken, statt abzuwarten und später einen langen Feldzug führen zu müssen.«
»Verstärken?« Hidi? winkte ab. »Wir haben es mit zwei einzelnen Zwischenfällen und einer kleinen Gruppe von Feinden zu tun, die irgendwo auf der Planetenoberfläche herumrennen. Kümmern Sie sich darum.«
Einzeln? »Lordgouverneur, die beiden Zwischenfälle haben eine gemeinsame Ursache. In Shanto hat sich der kleine Garnisonsposten selbst zerstört, weil sich die Truppen nicht einigen konnten, ob sie die örtliche Oberschule besetzen sollten, nachdem deren
Schüler den Aufstand am Konservatorium unterstützten. Es kam zu Schusswechseln, Sir. Zu Toten.«
Leon Beresk legte Hidi? warnend eine Hand aufs Bein und hielt ihn davon ab, etwas zu sagen, das man später gegen ihn verwenden konnte. »Der Lordgouverneur wollte den tragischen Verlust dieser Söhne Liaos nicht herunterspielen. Was er zum Ausdruck bringen wollte, war nur ... dass es keine organisatorische Verbindung zwischen diesen Ereignissen gibt.«
»Oder doch?« Lady Kincaid richtete die Frage direkt an den Legaten.
»Nicht, soweit wir feststellen konnten«, gab Rus-kov zu. »Aber wir sehen ständig weitere Fälle von Insubordination und sogar offener Revolte. Die 2. McCarron's Armored Cavalry ist auf Liao aktiv. Unter diesen Umständen können wir es uns nicht leisten, unsere Zeit damit zu verschwenden, die eigenen Ränge nach möglichen Verrätern abzusuchen. Die Politik der Verwaltung, capellafreundliche Truppen hier auf Liao zu halten, wendet sich jetzt gegen uns.«
»Eine derartige Politik gibt es nicht«, erklärte Hidi? und schaffte es, gleichzeitig verteidigend und selbstgerecht zu klingen.
»Es gibt Argumente für beide Positionen, Lordgouverneur.« Ruskov wagte sich auf dünnes Eis, das wusste er genau. »Präfekt Tao wird sicher bestätigen, dass wir offiziell eine Politik des aufgeklärten Liberalismus verfolgen. Das erklärt jedoch nicht, warum manche erstklassigen Absolventen des Konservatoriums und der Akademien in Bulics und Renfield für
Positionen bei den Trinarii und Principes zu Gunsten schwächerer Bewerber abgelehnt wurden.«
Lady Kincaid blinzelte langsam. »Sie sind besorgt, dass jedes Anzeichen, wir hätten die Lage nicht vollständig unter Kontrolle, zu weiteren Episoden ermutigt.«
»Elf meiner Leute, davon drei Offiziere, haben sich unerlaubt von der Truppe entfernt. Ich kann nicht beweisen, dass sie sich dem 2. McCarron's oder dem Ijori De Guäng angeschlossen haben. Die Gefahr aber besteht.«
»Elf.« Leon Beresk zuckte die Achseln. »Das ist doch der Erwähnung nicht wert.«
»Legat Ruskov«, fragte die Fahrende Ritterin. »Wie viele Soldaten haben Sie in den letzten vier Jahren an den Untergrund verloren? Vor der Invasion?«
»Drei.«
»Das ist eine Steigerung von fast vierhundert Prozent.«
»Sie lassen sich doch davon nicht beeindrucken?«, fragte Hidi?. Der Lordgouverneur trat an ein Sideboard und schüttete sich einen Schuss Bourbon mit Eis ein. »Wir reden hier von elf Leuten, die es möglicherweise einfach mit der Angst bekommen haben, weil sie zum ersten Mal Gefahr laufen, dass scharf auf sie geschossen wird. Wir wissen es ja nicht.«
»Allerdings nicht.« Gerald Tsung zupfte am Ärmel seines Oberhemds, der unter der
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