Gezeiten des Krieges
120°, aber es half ihm trotzdem, die Positionen zu verstehen. Es ähnelte einer Schachpartie, bei der er nur das halbe Brett sehen konnte und den Rest aus der Erinnerung bewegte.
»Alpha, lockt sie nach Nordnordwest. Wenn ihr ihnen nicht ein paar Kratzer in den Lack machen könnt, legt wenigstens eine Leichenspur nach Reg-gat's Canyon.«
Reggat's Canyon bot Alpha möglicherweise Gelegenheit, zurück zum Konvoi zu stoßen. Wenn nicht -wenn sich McCarrons Truppen als zu hartnäckig erwiesen und sie nicht entkommen ließen -, dann konnte er in den Höhlen der Schlucht Leben retten. Der Position ihrer Hubschrauber nach zu schätzen, die über den Bäumen weit im Norden auf und nieder tanzten, lagen mindestens zehn harte Minuten vor ihnen.
Bravo hatte beide Kampfhubschrauber verloren, aber die Angriffe von McCarrons Hubschrauberformation nur ein paar Kilometer im Osten waren nicht zu übersehen. Auf der anderen Seite der Stellung von Terrence McCarron.
»Bravo, die Stellung halten. Es werden Kröten und vielleicht auch ein paar schwere Panzer auf euch zukommen. Bleibt aber, wo ihr seid.«
Sie konnten es schaffen. Sie hatten schließlich immer noch Partisan -Flakpanzer, um die Hubschrauber abzuwehren.
Eine Einheit auf der Flucht, die andere eingegraben als Mauer, gegen die er den Feind treiben konnte. So etwas war nie einfach: zu entscheiden, wer leben durfte und wer das Leben aufs Spiel setzte. Diesmal befand er sich in einer Position, die ihm nur mit einer der Halbkompanien ein konzertiertes Vorgehen erlaubte, und wenn er die andere schon sich selbst überlassen musste, wollte er ihr wenigstens eine Möglichkeit geben, Boden gut zu machen.
Militärjargon für: Rennt um euer Leben.
Doch McCarron hatte immer noch ein paar eigene Tricks in petto, um Viktors Pläne zu durchkreuzen. Alarmsignale forderten laut schrillend seine Aufmerksamkeit, als einige Grenzgänger und Achiläus auf ihren Sprungdüsen ringsum zwischen den Wipfeln auftauchten und den überschweren BattleMech unter Beschuss nahmen. Der Zeus verfügte über keine nennenswerten Infanterieabwehrwaffen, aber Victor konnte einen Grenzgänger mit einem Impulslaser aus der Luft holen. Dann brach ein taktischer JES- Raketenwerfer aus der Deckung, wedelte zwischen den Bäumen entlang und feuerte eine Salve Kurzstreckenraketen nach der anderen ab, während er selbst nicht mehr als ein paar rot glühende Metallnarben von Viktors Lichtwerfer kassierte.
Wieder wünschte er sich, ihm stünde noch die Partikelprojektorkanone zur Verfügung, die er bei einem früheren Schlagabtausch zusammen mit der unteren Hälfte des linken Mecharms verloren hatte. Da sein Mech ein ganzes Stockwerk höher war als die Bäume, hatte der Legat einen hervorragenden Überblick. Hätte er gewollt, hätte er die Position jedes Scharmützels aufzeigen können, an Hand des öligen Rauchs, der durch das Blätterdach aufstieg, oder der Flammen, die aus den Obsthainen schlugen.
Zehn Kilometer weiter hinten zum Beispiel, wo die Armored Cavalry mit solcher Gewalt angegriffen hatte, dass sie seine kleine Vorhut zerschlagen hatte.
Fünf Klicks: Ein regelrechter Waldbrand bezeich-nete die Stelle, an der Sergeant Ho für zwei Truppentransporter und einen Kampfrichter sein Leben gelassen hatte. Ein Kopfjägergespann der Konföderation hatte sein Cockpit aufgebrochen und ihn zerblasen. Ein MechKriegerveteran und sein Feuerfalke. Das war kaum als fairer Tausch zu bezeichnen. Der Zeus war zu schwer gepanzert. Zu langsam. Ruskov hatte Ho nicht rechtzeitig erreicht.
Drei Kilometer und einer: Stellen, an denen zerstörte oder kampfunfähige Einheiten lagen oder der Zeus durch McCarrons Flankentaktiken aufgehalten worden war.
»Kontakt!« Bravos Kommandeur, Sergeant Jason Lee, klang besorgt. »Vier ... fünnef! Fünnef Panzerfahrzeuge im Anmarsch. Kröten überall.«
Voraus sah Viktor, wie eine Explosion das Blätterdach aufriss, wo ein Gaussgeschütz durch die Wipfel feuerte. Feindliche Hubschrauber schwärmten auf die Lücke zu und suchten nach Beute. Flammen züngelten im Geäst und Qualm stieg zum Himmel auf, wo am Boden unsichtbare Fahrzeuge für ihn kämpften.
»Wir stecken bis zum Hals im Dreck, Sir.«
Der JESsie schwenkte in eine andere Baumreihe. Die Sensoren des Zeus fingen ihn noch auf, aber auf dem Sichtschirm war er nicht mehr zu erkennen. Der Fahrer versuchte offenbar, ihn zu einem Katz-und-Maus-Spiel zu verleiten. Aber diesmal nicht. Viktor hielt Kurs. Die Obstbäume bremsten ihn
Weitere Kostenlose Bücher