Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
Vom Netzwerk:
großes Lagerfeuer entzündet und einen Tapeziertisch davor aufgebockt. Anschließend hat er einen Kelch mit Wein und eine Schale mit Olivenöl auf den Tisch gestellt und die Gäste aufgefordert, sich im Kreis um das Feuer zu stellen.
    Ruth, die Kate im blauen Schneeanzug auf dem Arm hat, folgt ihm nur widerwillig. Es hat sie erstaunt, wie viele Leute dann doch zu diesem Namensfest erschienen sind. Tatjana war natürlich ohnehin da und hat Phil auf der Stelle in ein Gespräch über die Arlington-Springs-Frau verwickelt. Phil ist selbstverständlich mit Shona gekommen, außerdem hat sich Cathbads Freundin Freya aus dem Fachbereich Linguistik eingefunden, Trace und Clough sind da, Ted und Judy und zu Ruths Überraschung auch Dieter Eckhart und Clara Hastings.
    «Ich bin mit Cathbad auf dem Campus ins Gespräch gekommen», hatte Dieter erläutert. «Da hat er mich eingeladen. Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus?»
    «Was sollte es mir denn ausmachen?», gab Ruth mürrisch zurück. Cathbad kann Dieter, der seine Forschungen am Fachbereich für Geschichte betreibt, kaum näher kennen. Wahrscheinlich hat er die Einladung nur ausgesprochen, um Phil zu ärgern, der Dieter sicherlich um seinen Ruf als Wissenschaftler beneiden wird – und um sein gutes Aussehen. Viel erstaunlicher ist hingegen, wie nahe sich Dieter und Clara offensichtlich sind: Sie haben die Arme umeinandergelegt, lachen herzlich über Insiderwitzchen und sprechen Deutsch miteinander. Dabei ist er doch erst ein paar Tage hier.
    «Clara war mir eine große Hilfe», hatte Dieter erklärt. «Sie hat mich in die Lokalgeschichte eingeführt.» Er warf Ruth einen vielsagenden Blick zu.
    Clara lachte. «Und ich kann endlich wieder Deutsch üben. Vor dem Studium war ich ein Jahr in Deutschland, aber die Sprache ist völlig eingerostet. Inzwischen wünsche ich mir, ich hätte in der Schule besser aufgepasst.»
    «Du warst bestimmt eine Musterschülerin», sagte Dieter mit flammendem Blick.
    «Oh, im Gegenteil», erwiderte Clara leichthin. «Ich bin von zwei Schulen geflogen.»
    Dieter zumindest gab sich redlich Mühe, ihr beim Auffrischen behilflich zu sein. Er zog sich mit ihr in eine Ecke von Ruths Wohnzimmer zurück und schaffte es durch geschickten Einsatz von Körpersprache, die gesamte übrige Gesellschaft fernzuhalten.
    Und Ruth musste überrascht feststellen, dass sie die Party tatsächlich genoss. Es war lange her, seit sie das letzte Mal so viele Gäste bei sich zu Hause hatte, und da Cathbad und Freya für Essen und Getränke gesorgt haben, hielt sich der Aufwand für sie als Gastgeberin auch wirklich in Grenzen, obwohl es schwierig genug war, Geschirr und Trinkgefäße in ausreichender Anzahl aufzutreiben: Clough trinkt aus einem Pu-der-Bär-Becher, und Phil hat einen von Kates Kindertellern aus Plastik abbekommen. Ruth hatte sich gerade zu einem gemütlichen Gespräch mit Judy hingesetzt, als es plötzlich donnernd an die Tür klopfte.
    «Das wird der Boss sein», meinte Clough. «Versucht mal wieder, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen.»
    Großer Gott, nein!
    Doch Clough hatte recht. Vor der Tür stand Nelson, todernst in Jeans und Lederjacke, und neben ihm Michelle mit einem riesigen, schleifenverzierten Geschenk im Arm.
    «Ich weiß schon, wir sollten keine Geschenke mitbringen», sagte sie. «Aber ich glaube, das könnte ganz nützlich sein.»
    Beklommen nahm Ruth das Päckchen entgegen und bedankte sich. Cathbads Anweisungen zum Trotz hatte Kate bereits recht viele Geschenke bekommen, doch die Gabe der Nelsons stellte alles andere in den Schatten.
    «Mach es doch auf, Ruth.» Michelle ließ sich ein Glas Punsch von Cathbad reichen, der plötzlich die Liebenswürdigkeit in Person war. Wo in aller Welt hatte er noch ein sauberes Glas aufgetrieben?
    Ruth erträgt es nur schwer, Geschenke aufzumachen, wenn andere ihr dabei zuschauen – das ruft zu viele Erinnerungen an trostlose Weihnachtsmorgen wach, an denen sie Freude über eine Bibel heucheln musste –, aber in diesem Fall konnte sie nicht ablehnen, das wäre einfach unhöflich gewesen. Vorsichtig löste sie das Papier mit den rosa Blümchen.
    «Wow! Das ist … wie schön … ein … Was ist das?»
    Es war ein rosafarbener Sitz aus festem Leinenstoff, der sich inmitten eines breiten Gestells auf Rädern befand. Vor dem Sitz war ein kleines Tablett angebracht, auf dem man alles Mögliche anfassen, drücken und zerknüllen konnte. Das Ganze wirkte leicht bedrohlich, wie die Schaltstation

Weitere Kostenlose Bücher