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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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ihrer Mutter.
    «Möge das Glück stets mit dir sein», deklamiert Cathbad, «mögest du stets gesund bleiben, stets voller Freude sein und stets Liebe im Herzen spüren.»
    Noch einmal sieht Ruth zu Nelson hin. Doch er hält den Blick ins Feuer gerichtet.
    «Die Götter und wir kennen dich nun als Kate Scarlet. Dies ist dein Name, und er besitzt Macht. Trage diesen Namen mit Stolz. Die Götter sollen dich segnen an diesem Tag und an allen, die noch kommen werden.» Cathbad reicht Ruth den Wein. «Trink und gib den Kelch weiter.»
    Dann wendet er sich an den Kreis der Gäste. «Wenn ihr davon getrunken habt, sagt ihr laut: ‹Kate Scarlet, ich will dich ehren.›»
    Ruth nimmt einen Schluck. Der Wein steigt ihr direkt zu Kopf, als wäre es Whisky. «Kate Scarlet, ich will dich ehren», krächzt sie. Dann reicht sie den Kelch an Shona weiter, die begeistert davon trinkt. «Kate Scarlet, ich will dich ehren», sagt sie mit heller, klarer Stimme und reicht den Becher an Dieter weiter.
    «Kate Scarlet, ich will dich ehren.» Er verneigt sich leicht dabei.
    «Kate Scarlet, ich will dich ehren», spricht Clara ihm nach.
    «Kate Scarlet, ich will dich ehren.» Clough klingt, als müsste er sich das Lachen verbeißen.
    «Kate Scarlet, ich will dich ehren.» Trace spricht ganz neutral.
    «Kate Scarlet, ich will dich ehren.» Tatjana, die als Einzige das «dich» betont.
    «Kate Scarlet, ich will dich ehren», donnert Ted, fast so laut wie Cathbad.
    «Kate Scarlet, ich will dich ehren.» Judys Stimme klingt ganz weich.
    «Kate Scarlet, ich will dich ehren», murmelt Phil verlegen.
    «Kate Scarlet, ich will dich ehren.» Freya flüstert voller Leidenschaft.
    Michelle nimmt den Kelch mit großer Beherrschtheit entgegen. «Kate Scarlet, ich will dich ehren.» Dann nimmt Nelson den Wein. Er bewegt die Lippen, doch niemand hört, was er sagt. Die Flammen schlagen jetzt so hoch, dass Ruth sein Gesicht nicht sehen kann.
    Cathbad stellt den Kelch wieder auf den Tisch. «Darf ich sie nehmen?», fragt er Ruth, und mit einem gewissen Widerwillen überlässt sie ihm das Bündel im blauen Schneeanzug. Cathbad hebt das Baby zum Nachthimmel empor. «Willkommen, Kate Scarlet. Wir bitten die Götter, über dich zu wachen und auch über deinen Vater und deine Mutter.» Dann dreht er sich lächelnd zu Ruth um. «Das war’s.»
    Wie betäubt geht Ruth hinter Cathbad zurück ins Haus. Was sollte denn das mit Vater und Mutter? Ahnt er vielleicht etwas, oder ist das einfach nur der Text, den er sich von paganceremonies.co.uk heruntergeladen hat? Dummerweise weiß man bei Cathbad nie genau, wo der überspannte Eso-Kram aufhört und die gute alte Intuition anfängt. Ob die anderen Gäste etwas ahnen? Ruth hatte nicht den Eindruck, dass sie allzu genau zuhören: Sie hatten alle diesen leicht glasigen Blick, den man von Kirchenbesuchern kennt. Aber Nelson hat es registriert, da ist sie sich sicher.
    Kate ist eingeschlafen, und Ruth ist froh darüber, nach oben verschwinden und sie ins Bett bringen zu können. Sie zieht ihr den Schneeanzug aus, legt sie im Strampelanzug in ihr Kinderbett und deckt sie mit der Wolldecke zu, die ihre Mutter gestrickt hat. Was ihre Eltern wohl von der Zeremonie am Lagerfeuer gehalten hätten? Wahrscheinlich hätten sie allein beim Anblick von Feuer, Öl und Wein die Exkommunizierung beantragt.
    Doch als Ruth wieder nach unten kommt und auf die halbleere Punschschüssel zusteuert, wo bereits Judy steht, sagt die zu ihr: «Mich hat das ja sehr an eine katholische Messe erinnert. Du weißt schon, gemeinsam aus dem Kelch trinken und so.»
    Ruth überlegt, ob dieser Vergleich wohl auch Nelson in den Sinn gekommen ist. Wie Judy ist auch er katholisch aufgewachsen.
    «Heiratet ihr eigentlich in einer katholischen Kirche?», fragt sie.
    Judy verzieht das Gesicht. «Ja. Die komplette Hochzeitsmesse. Darren ist auch katholisch. Wir kennen uns seit der Schule.»
    «Das muss schön sein», sagt Ruth, «jemanden so lange und gut zu kennen.»
    Judy fischt ein Stück Orange aus ihrem Punsch und kaut nachdenklich darauf herum. «Es ist schon schön. Wir haben dieselben Erinnerungen, dieselben Freunde. Unsere Verwandten kennen sich alle.» Sie lacht. «Aber irgendwie frage ich mich manchmal, wie es wohl wäre, mit jemandem zu schlafen, den man kaum kennt. Auweia, ich glaube, ich bin betrunken.»
    Ruth denkt an eine düstere Nacht zurück, an einen scheußlichen Fund und an den fremden Körper, der sich an sie drängte.
    «Es ist schon

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