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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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Stimme versagte kurz. «Sonst kann man nicht weiterleben.»
    «Aber wie sollen wir …» Ruth hörte selbst, wie kläglich und unsouverän sie klang. Was war sie bloß für eine schlechte Vertraute! Sie schwieg ebenfalls.
    «Keine Ahnung», meinte Tatjana energisch. «Du weißt ja, dass sie die Leichen ständig woanders hinbringen, um ihre Verbrechen zu vertuschen.» Das stimmte, und es erschwerte den Archäologen die Arbeit enorm. Bei manchen Gräbern war es offensichtlich, dass es sich um Leichen handelte, die zum zweiten oder sogar dritten Mal verscharrt worden waren, mehrfach umgebettet, um alle Spuren zu verwischen. Hin und wieder konnten sie über 3-D-Bildgebung vermessen, wie tief ein Grab war, doch sehr viel häufiger mussten sie sich auf ihr Wissen über Erdschichten und Bodenbewegungen verlassen, um zu bestimmen, wie oft und vor wie langer Zeit eine Leiche beerdigt worden war. Und manchmal mussten sie auch einfach raten, sich auf ihren «siebten Archäologen-Sinn» verlassen, wie Erik sagte.
    «Ich brauche mehr Informationen», fuhr Tatjana fort. «Ich werde jeden, den wir treffen, nach dem Dorf fragen und danach, was mit den Leichen passiert ist. Dabei kannst du mir helfen, Ruth.»
    «Natürlich.»
    «Und», setzte Tatjana hinzu, als wäre es ihr eben erst in den Sinn gekommen, «ich weiß auch, wie der Mann heißt, der das getan hat. Das macht es einfacher.»
    Ruth wusste nicht, was sie meinte, doch Tatjana sagte es ihr. «Das macht es einfacher, ihn zu töten.»

[zur Inhaltsübersicht]
    13
    Die Seniorenresidenz wirkt in der hellen Frühlingssonne ausgesprochen freundlich. Der Garten ist gepflegt, in den Rasen sind akkurate Streifen gemäht, in den Beeten blühen Narzissen. Auch die Häuser sehen hübsch aus, kleine Backsteinbauten mit frisch gestrichenen Tür- und Fensterrahmen. Nicht schlecht, denkt Nelson anerkennend. Eines Tages wird er seine Mutter vielleicht auch an einem solchen Ort unterbringen müssen. Einstweilen aber noch nicht. Maureen Nelson geht in die Luft, sobald jemand die Worte «Senior», «Residenz» und vor allem «Hauswart» in den Mund nimmt. Und wenn es so weit ist, hat Nelson ja noch zwei ältere Schwestern, die sich um die Sache kümmern, dabei zwar lauthals über die zusätzliche Arbeit meckern, aber trotzdem jedes Hilfsangebot ausschlagen werden, vor allem, wenn es von ihm kommt. Manchmal ist es ganz praktisch, der Jüngste zu sein.
    Nelson drückt die Klingel neben dem Schild mit dem gefürchteten Wort «Hauswart»; doch gegen den reizenden Mann mit der leisen Stimme, der Nelson jetzt durch die Doppeltür einlässt und in eine Wohnung im Erdgeschoss führt, könnte wohl selbst Maureen nicht ernsthaft etwas einwenden. Zumal er sogar Ire sein könnte, so wie sie.
    «Sie wohnen hier auf dem Grundstück?», fragt Nelson.
    «Ja», antwortet der Hauswart, der sich als Kevin Fitzherbert vorgestellt hat. «In den meisten Einrichtungen ist der Hauswart nur eine Stimme am anderen Ende der Telefonleitung, statt im Erdgeschoss zu wohnen und bei Bedarf den Abfluss sauber zu machen.»
    «Das ist also Ihre Aufgabe? Abflüsse sauber machen?»
    «Genau. Und verschwundene Brillen suchen, Leuten aufhelfen, wenn sie gefallen sind, die Fernsehkanäle umstellen – wenn die ihren Countdown nicht empfangen können, ist hier die Hölle los –, Schraubgläser öffnen und Lottoscheine aufgeben.»
    Nelson sieht sich im Zimmer um. Es wirkt gemütlich und ungeheuer aufgeräumt. Der einzige Lehnsessel steht dicht vor dem Fernseher, Fernbedienung und die zusammengefaltete Fernsehzeitschrift ruhen auf der Armlehne.
    «Sind Sie verheiratet, Mr. Fitzherbert?» Nelson folgt der Aufforderung, Platz zu nehmen.
    Kevin Fitzherbert macht ein leicht bekümmertes Gesicht. «Ich bin geschieden. Meine Frau und ich … wir hatten Probleme … Aber inzwischen trinke ich nicht mehr, schon seit fünf Jahren nicht. Ich bin bei den Anonymen Alkoholikern. Hab noch mal ganz neu angefangen.»
    Nicht zum ersten Mal wundert sich Nelson, was die Leute der Polizei so alles unaufgefordert erzählen. Es wird sich zeigen, ob es irgendwie relevant ist, dass Kevin Fitzherbert früher Alkoholprobleme hatte. Nelson jedenfalls merkt sich die Information und setzt ein neutrales Lächeln auf.
    «Erzählen Sie mir von Hugh Anselm», sagt er.
    «Ach …» Jetzt schaut Fitzherbert ernsthaft bedrückt drein, und sein irischer Akzent wird merklich stärker. «Das war eine echte Tragödie, sag ich Ihnen. So ein feiner Mensch. Ein richtig

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