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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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feiner, gütiger Herr, wenn Sie wissen, was ich meine. Einer von der ganz alten Schule.»
    Nelson überlegt, wo er den Ausdruck neulich schon mal gehört hat. «Wie ist er denn gestorben?», fragt er.
    «Herzinfarkt», sagt Fitzherbert. «Er war herzkrank. Angina pectoris. Er musste sehr aufpassen, die kleinste Anstrengung konnte zum Infarkt führen. Er hat gewusst, dass er jederzeit sterben kann. Bei den älteren Bewohnern schaue ich nach Möglichkeit einmal täglich vorbei, ob es ihnen gutgeht, und die meisten haben gern eine gewisse Regelmäßigkeit. Zu Hugh ging ich immer gleich um neun, weil er Frühaufsteher war. Wir tranken dann einen Tee, knobelten ein bisschen am Kreuzworträtsel aus dem Telegraph herum. Ein echter Crack im Kreuzworträtseln, unser Hughie. Na, jedenfalls habe ich vorher kurz angerufen, wie immer, und er ging nicht ran. Das fand ich seltsam, also habe ich den Hauptschlüssel geholt und bin zu ihm reingegangen. Da saß er auf dem Treppenlift, angeschnallt und mausetot.»
    «Wieso hatte er überhaupt einen Treppenlift?», will Nelson wissen. «Sind das hier nicht alles Wohnungen?»
    «Nein, manche sind Maisonette-Wohnungen. Das sind im Grunde die schönsten. Hugh hatte so eine, aber er kam beim Treppensteigen immer außer Puste, darum hat er den Treppenlift benutzt.»
    «Weiß man, wie lange er dort saß?»
    «Fast vierundzwanzig Stunden, meint der Gerichtsmediziner. Er muss sich am Tag vorher auf den Lift gesetzt haben, gleich nachdem ich weg war.»
    «Der Gerichtsmediziner? Das heißt, die Polizei war hier? Jemand von meinen Leuten?» Das muss passiert sein, als Nelson noch im Urlaub war. Ganz dunkel erinnert er sich noch an so eine Geschichte.
    «Ja, ein netter junger Mann namens Clough. Ich habe mir den Namen gemerkt, weil ich früher mal ein großer Fan von Nottingham Forest war.»
    Clough! Daher kommt Nelson die Sache so bekannt vor: Er muss sie im Wochenbericht gelesen haben. Obwohl er Clough eigentlich nichts vorwerfen kann – es handelte sich ja allem Anschein nach um eine natürliche Todesursache, und immerhin hat er einen Bericht geschrieben –, ist Nelson doch ein wenig sauer auf seinen Sergeant.
    «Mr. Fitzherbert.» Er beugt sich vor. «Ich sagte Ihnen ja schon am Telefon, dass mich alles interessiert, was Hugh Anselm Ihnen womöglich vom Krieg erzählt hat. Vor allem von seiner Zeit bei der Home Guard.»
    «Ja, ich weiß, und seit Sie das gesagt haben, zermartere ich mir das Hirn. Aber ehrlich gesagt hat er eigentlich nie vom Krieg erzählt. Ich glaube, er war bei der Royal Air Force, aber er sprach nicht darüber. Hugh war ein ganz großer Pazifist. Nicht mal die Mohnblume wollte er tragen. Er meinte immer, man sollte am Remembrance Day genauso sehr der deutschen wie der britischen Kriegstoten gedenken. Schließlich habe es keine gute und keine böse Seite gegeben, sondern nur Gewinner und Verlierer. Eigentlich war er ziemlich links. Hat ständig Leserbriefe an die Zeitungen geschrieben, zum Irakkrieg und allem.»
    «Und da liest er den Telegraph ?»
    «Ach, nur wegen der Kreuzworträtsel. Er hatte auch den Guardian und den New Statesman abonniert. Und alle möglichen historischen Zeitschriften. Er war eben ein feiner, gebildeter Mann.»
    «Das hört sich jetzt vielleicht seltsam an, Mr. Fitzherbert, aber hat Hugh Anselm je … Luzifer erwähnt?»
    «Luzifer? Gott bewahre!» Fitzherbert hebt instinktiv die Hand an die Stirn, als wollte er sich bekreuzigen. Also auch Katholik.
    Hier ist nichts mehr zu holen, denkt Nelson. Hugh war ein feiner, gebildeter Herr, der mit sechsundachtzig Jahren einem Herzinfarkt erlegen ist. Nahe Verwandte hat er keine, da hat sich Nelson bereits erkundigt. Seine Frau ist seit acht Jahren tot. Keine Kinder. Keiner, der um ihn trauern wird, bis auf Kevin Fitzherbert, der die Gesellschaft beim Kreuzworträtsellösen vermisst.
    Doch an der Tür fällt Nelson plötzlich doch noch etwas ein. Er kommt sich vor wie Inspektor Columbo.
    «Der Treppenlift. War der unten oder oben?»
    Fitzherbert legt die Stirn in Falten. «Das war ja das Seltsame. Er hing auf halbem Weg nach oben.»
    «Er hing? War er kaputt?»
    «Anscheinend. Aber das war schon komisch. Er wird regelmäßig gewartet, und als ich Hugh da sitzen sah, habe ich einfach auf den Knopf gedrückt. Einfach so, instinktiv. Und der Lift hat sich sofort in Bewegung gesetzt.»
    «Warum hat er dann auf halbem Weg nach oben angehalten?»
    «Vielleicht ist kurz der Strom ausgefallen. Oder Hugh ist

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