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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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nachsehen, ob die Freundin auch schon fertig hat.)
    «Ihr habt ein Recht auf fünfundvierzig Minuten Unterricht», sage ich und weiß schon, jetzt kommt ein großmütiges «Ach, darauf können wir heute mal ausnahmsweise verzichten!».

Erwischt!
    In meiner Ausbildungsschule, der Gesamtschule-Süd, hatte Herr Knurrhahn irgendeine Funktion in der Schulleitung, und Frau Spieß war die Oberputzfrau – oder kam es mir vielleicht auch nur so vor? Jedenfalls hatte ich als kleine Referendarin Angst vor ihnen, denn sie standen in der Schulhierarchie Lichtjahre weit über mir. Eigentlich hatte jeder an dieser Schule mehr zu sagen als ich. Jeder! Ich glaube, sogar jeder Schüler.
    Frau Spieß lungerte gern in den Fluren vor den Klassenräumen herum und kontrollierte, ob wir nicht etwa zu früh Schluss machten und ob alle Stühle hochgestellt waren. Vielleicht trieben sie auch ganz andere Gründe dafür an, vielleicht hatte ich auch nur aus lauter Unsicherheit ein bisschen Verfolgungswahn. Ich vermute aber heute noch, dass sie, wenn etwas nicht in Ordnung war, sofort zu Herrn Knurrhahn ging und petzte.
    Einmal wollte ich eine Klasse fünf Minuten vor dem Klingeln gehen lassen, aber wir rannten schon in der Klassentür in Herrn Knurrhahn und die fies grinsende Spieß hinein, die uns in heimtückischer Absicht aufgelauert hatten.
    Herr Knurrhahn hatte so eine sympathische Art, einen mit leicht blutunterlaufenen Augen anzusehen und betont leise zu sprechen. «Frl. Krise», flüsterte er. Er konnte es sich leisten zu flüstern, alle Schüler wurden sofort mucksmäuschenstill, wenn sie ihn nur sahen. «Frl. Krise, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Schüler ein Recht auf fünfundvierzig Minuten Unterricht haben?»
    Betreten schlichen die Schüler und ich zurück in die Klasse und harrten dort schweigend aus, bis es klingelte. Dann gingen wir ganz bescheiden und leise raus.
    Der Flur war leer.

Mit Chic und Bauch
    Emre hetzt in der letzten Sekunde vor dem Klingeln in die Klasse und baut sich vor mir auf.
    «Was das? Weißes Hemd!», sage ich. «Warum so fein heute?»
    «Ich und Ömür gehen heute zum ersten Mal Praktikum», erklärt Emre. «Eigentlich sollten wir erst Freitag anfangen, aber die Frau hat heute Morgen bei mir angerufen und gesagt, wir sollen heute kommen mit feines Hemd und Hose.»
    «Wo ist überhaupt Ömür?»
    «Frl. Krise, der kommt bisschen später. Der muss sich auch schick anziehen. Aber passt ihm nichts. Er hat zugenommen.»
    Ich seufze. Probleme haben die!
    Ich versuche anzufangen, wir haben Deutsch in der ersten und zweiten Stunde, aber Emre findet sich noch nicht genug gewürdigt.
    «Wie sehe ich aus? Frl. Krise? Schön, wa? Aber ich hatte nicht schwarze Hose. Meinen Sie, das ist schlimm?»
    «Du siehst sehr gut aus, Emre», sage ich. «Sehr erwachsen!»
    Das stimmt auch. Und er sieht nicht nur so aus, er ist es auch. Emre ist ein Jahr älter als die meisten anderen aus der Klasse. Er hat eine Freundin und einen Plan, wie sein Leben weitergehen soll. Außerdem ist er nicht nur groß, schlank und hübsch, sondern ausnehmend nett und höflich. Nur seine Noten … Dabei ist er ziemlich fleißig.
    «Wir sind doch im Hotel», erklärt er mir weiter, «aber ich habe keine schwarze Hose, aber Gürtel ist neu!»
    Ich nicke und öffne den Mund, um meine übliche Morgenbegrüßung abzulassen. Da stürzt Ömür zur Tür herein. Er schnauft und pellt sich rasch seine enge schwarze Jacke vom Leib. Seine Ane verwöhnt ihn wohl zu sehr.
    «Hatte nichts zum Anziehen», keucht er. «Wegen Praktikum! ’tschuldigung, ging nich schneller!»
    Immerhin trägt er eine schwarze Hose und ein gestreiftes Hemd. Das Hemd ist ein bisschen zu klein.
    «Mach mal sofort den obersten Knopf auf, Omür», sage ich. «Ich kriege ja schon Erstickung, wenn ich sehe, wie das Hemd den Hals einschnürt.»
    Emre lacht und hilft seinem Mitschüler fachmännisch, die beiden obersten Knöpfe zu öffnen.
    «Sehr gut», sage ich. «So sieht das gleich viel besser aus.»
    Leider ist das Hemd auch am Bauch sehr eng, aber Ömür vertraut darauf, dass es sich im Verlaufe des Morgens noch weitet.
    Hoffentlich halten die Knöpfe durch, denke ich und rufe laut: «So, Leute, jetzt geht’s aber los!»
    «Frl. Krise, ich wollte Smoking anziehen, aber meine Beine gingen nicht mehr in Hose», unterbricht mich Ömür.
    Alle Mädchen schreien: «Smoking!»
    Wir klären das auf: Es handelt sich wohl nur um einen dunklen Anzug, der ihm vor einem Jahr

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