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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Rosen und das Leben verirrten sich in meine Klasse.
    Meinen Schülern gefiel, dass ich mir diese Mühe gemacht hatte. Besonders Nesrin. Letzte Woche sagte sie träumerisch: «Wissen Sie noch, Frl. Krise, wie Sie damals unsere Namen in Deutsch übersetzt haben?» Jugendliche reden ja von der nahen Vergangenheit gern so, als ob sie schon mindestens dreißig Jahre zurückläge … Und die anderen Mädchen schrien auf der Stelle alle ihre deutschen Namen durcheinander.
    Daraufhin habe ich letzte Woche diesen ollen Zettel mit in die Klassenarbeitsstunde genommen. Aber nicht nur wegen der Namen, sondern auch weil ich jeden Neuzugang auf diesem Zettel vermerkt und die Abgänge durchgestrichen habe.
    Dieses Blatt ist inzwischen so etwas wie eine flüchtige Chronik der Klasse.
    Azzize und Nesrin reißen mir das Blatt gleich aus der Hand. Die beiden können kaum fassen, was sie da sehen.
    «Unmenschlisch, krass!», sagt Azzize, und Nesrin schreit auf: «Vallah, voll viele!»
    Los geht es zu Beginn der siebten Klasse mit zweiundzwanzig Mädchen und Jungen.
    Schon nach drei Wochen geben wir zwei Jungen an Parallelklassen ab, unsere Klasse erweist sich nämlich als extrem schwierig. Im Laufe des Schuljahrs verlassen uns noch drei Schüler, die in Spezialschulen besser aufgehoben sind.
    Ein Schüler wird in eine Parallelklasse als Strafmaßnahme umgesetzt.
    Am Ende des siebten Schuljahrs werden sieben Kinder nicht versetzt, aber sie bleiben alle in unserer Klasse. Zwei nicht versetzte Jungen kommen aus dem achten Jahrgang dazu und noch zwei Mädchen aus anderen Schulen.
    Jetzt haben wir zwanzig Schüler.
    Im achten Schuljahr werden wir mit einer neuen Schülerin beglückt, die uns sehr nachhaltig beschäftigen wird. Nach einigen Monaten geht sie in ein Schulprojekt.
    Die Lage ist trostlos; wir sind auf dem Tiefpunkt. Karl und ich denken ans Aufgeben. Die Klasse wird dann im zweiten Halbjahr in fast allen Fächern geteilt, wir versuchen unterschiedlichste Modelle und sind wegen etlicher Schüler in engem Kontakt mit Gott weiß wie vielen Behörden und Ämtern.
    Am Ende bleiben neun Schüler sitzen, manche jetzt schon zum zweiten Mal. Zwei dieser sitzengebliebenen Schüler gehen in die tiefere Klassenstufe. Drei andere in Schulprojekte beziehungsweise andere Schulen. Wir bekommen vier neue Schüler. Mit neunzehn Schülern gehen wir ins neunte Schuljahr. (Immer noch skandalös wenige, aber wir werden verschont, um die Klassensituation zu entlasten. Die anderen Klassen sind dafür proppenvoll.)
    In der Neunten kehrt einer unserer Schüler aus dem Schulprojekt zurück. Einer der neuen Schüler verlässt uns wieder, dafür stoßen im Februar zwei Schüler aus der zehnten Klasse zu uns, die bei uns ihre letzte Chance erhalten sollen. Einer geht seit letzter Woche in eine andere Schule. Im Moment haben wir also zwanzig Schüler in unserer Klasse. Von diesen zwanzig Schülern waren dreizehn am Aufnahmetag im siebten Schuljahr dabei.
    «Ist mir gar nicht so aufgefallen, dass soooooooo viele weg sind und so viele neu sind», sagt Aynur und schüttelt den Kopf. «Dieser Fikri, der war doch bloß paar Wochen da, oder? Und Ömür, weißt du noch? Diese komische Cindy!»
    «Huh, Cindy, die war voll der Spast!» Ömür schüttelt sich. «Und erst mal Eren! Der hat aber voll abgenommen, ich habe ihn im Bus gesehen!»
    «Voll viele!», staunt Nesrin wieder und blickt sich um. Stolz wie ein Veteran stellt sie fest: «Ich war von Anfang hier!»
    «Ich auch!», sage ich und versuche ebenfalls wie ein Veteran zu gucken, aber wie ein verwundeter Veteran.
    Nesrin drückt mich und tätschelt mir den Rücken.
    «Hör mal, Nesrin», rufe ich, «ich bin übrigens kein Welpe oder so was. Ich bin deine Lehrerin !»
    «Was Welpe?», fragt Nesrin. «Frl. Krise, aber wir haben uns voll verbessert, wa?»
    Ich klopfe leicht auf mein Notenheft und ziehe eine Augenbraue hoch (was mir leider immer noch misslingt).
    «Abooooh, nich die Noten vielleicht!» Nesrin schüttelt den Kopf. «Aber sonst so! Und Sie sind auch viel netter geworden. In der siebten Klasse waren Sie voll eklisch, ich schwör!»
    Ich muss mir das Lachen verkneifen. «Doch, Nesrin, ihr habt euch wirklich voll verändert im letzten halben Jahr. Ihr seid richtig nett geworden, aber manchmal könnt ich gewisse Damen auf den Mond schießen, vallah!» Dabei zeige ich auf Esra, die gerade höchst unauffällig damit begonnen hat, sich schwungvoll die langen Haare zu bürsten.

… und schreibe dir einen

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