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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Geheimnisträgerin ernannt, jedenfalls gelegentlich. Es ging um die Affären. Jan aus der Zehnten und Silke aus der Dreizehnten – skandalös; Sina und Kaan, die sich immerzu stritten; Kasper und Tom – zumindest munkelte man das; und last but not least Herr Biehlke und Pssstpssstpssst? Ich hatte mich wohl verhört! Schließlich war Herr Biehlke ungefähr in meinem Alter, also Ende vierzig. Bei dem lief was? Und Pssstpssstpssst? Wer war das? Eine Schülerin offensichtlich. Ich spitzte die Ohren. Aber die Mädchen hielten in diesem Fall dicht. Wer Pssstpsstpssst war, erfuhr ich nicht! Erst Jahre später, als Herr Biehlke und Pssstpsstpssst heirateten, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
    Dagegen waren die Damen großzügig mit ihren Informationen, wenn es um die kleinen Techtelmechtel der Mitschülerinnen mit den Referendaren ging. Das war zwar auch ganz spannend, aber längst nicht so brisant. Die Schülerinnen waren über achtzehn, die Referendare Mitte bis Ende zwanzig, was sollte man groß dazu sagen? Korrekt fand ich diese Geschichten nicht, aber mich fragte sowieso niemand.
    Die heißesten Informationen erhielt ich von ganz anderer Seite.
    Es war die Lovestory von Kollegin Beate, einer drallen Mitdreißigerin, die mich eines Tages in einen Nebenraum und ins Vertrauen zog.
    Sie hatte sich verliebt.
    «Aha. In wen?»
    «In Alexander aus meiner zehnten Klasse.»
    «Das gibt es nicht!»
    «Doch!»
    Beate weinte und lachte, sie schwankte zwischen Verzückung und Verzweiflung. Sie war verheiratet, hatte eine kleine Tochter und fühlte sich auf einmal wie ein dummer Teenager mit Schmetterlingen im Bauch.
    Ich empfahl ihr dringend, die Finger von dem Jungen zu lassen, und sie schwor heilige Eide und Verzicht.
    Aber wie das so ist mit der Liebe, sie schwelte und glimmte und glühte – und Beate nahm ab, kaufte sich neue Klamotten, wurde immer nervöser. Ihre Ehe kriselte.
    «Du machst dich unglücklich, Beate», warnte ich sie. «Willst du wegen so einer Verknalltheit alles aufs Spiel setzen?»
    Der Unterricht in ihrer Klasse setzte ihr schwer zu. Wenn sie etwas an die Tafel schreiben musste, wurde ihr unter den Augen des Angebeteten schwindelig. Und sollte sie ihm nun einen Fingerzeig für die Deutscharbeit geben oder nicht? Er war so schwach in diesem Fach! Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen: «Auf keinen Fall! Wenn das rauskommt, bist du geliefert!»
    Nachmittags traf sie sich mit ihm. Sie fuhren im Auto ruhelos hin und her, redeten um den heißen Brei herum und knutschten dann wie die Verrückten. Zum Letzten wäre es noch nicht gekommen, beteuerte Beate.
    «Der Junge ist minderjährig und dein Schüler! Beate, das ist bestimmt strafbar! Die versetzen oder entlassen dich!» Ich mochte gar nichts mehr hören. Das konnte doch nur im Desaster enden.
    Dann wurde es Sommer, und Beates Klasse war feierlich verabschiedet. Alexander wollte erst einmal kein Abi bei uns machen, lieber ging er für ein Jahr in die Staaten. Beate fuhr mit ihrer kleinen Familie ans Meer und kehrte mit ein paar Kilos mehr auf den Rippen zurück. Ihr Mann zog zu Hause aus, und sie erwog einen Berufswechsel. Das Lehrerinnendasein erschien ihr in jeder Hinsicht zu stressig.
    Der Spuk war vorüber.
    Und ich verlor meinen Job als Liebesberaterin. Gott sei Dank.

Schülerrechte
    «Warum lassen Sie uns nicht einfach früher gehen?» Meine Zehntklässler gucken mich voller Unverständnis an. «Es fehlt doch eh die Hälfte!»
    «Miriam, kann dein Vater seinen Arbeitsplatz einfach verlassen, wenn er keine Lust mehr hat?», frage ich.
    Miriam zuckt mit den Schultern. «Weiß nicht», sagt sie. «Der arbeitet nur schwarz.»
    Volltreffer.
    Ich nehme Alper ins Visier.
    «Ja, ’türlich», sagt der, «mein Vater hat eigenes Taxi.»
    Das war offensichtlich der falsche Argumentationsstrang.
    «Ich darf nicht früher Schluss machen», sage ich. «Eure und meine gemeinsame Arbeitszeit geht bis 16 Uhr. Punkt. Ende der Diskussion.»
    «Aber das merkt doch keiner!» Miriam gibt so schnell nicht auf.
    Ich lache höhnisch auf. Die beste Methode, sich allen im Haus eindrücklich in Erinnerung zu bringen, ist es, eine Klasse – ach, was sag ich, zwei, drei Schüler reichen schon – früher gehen zu lassen. Sie werden aus dem Klassenraum treten und sofort anfangen, sich lauthals zu streiten, zu beschimpfen, zu singen, die Treppe runterzupoltern und an alle Türen zu klopfen. (Im besten Fall! Im schlechtesten reißen sie die Türen auf – nur mal

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