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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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eigentlich war er Mitglied eines ähnlichen Mausoleums in Manhattan, dessen Mitglieder Gastrecht in dem Londoner Club genossen und den Rick gern aufsuchte. Zur Lunchzeit waren nur Männer zugelassen. Alle trugen dunkelblaue Anzüge und waren über sechzig. Seit ich von der Uni abgegangen bin, habe ich mich nicht mehr so jung gefühlt. Draußen lastete der Winterhimmel auf London wie eine große graue Grabsteinplatte. Drinnen funkelte das gelbe elektrische Licht von drei gewaltigen Kronleuchtern auf dunkel glänzenden Tischen, versilbertem Besteck und mit rubinrotem Bordeaux gefüllten Karaffen. Ein Kärtchen, das zwischen uns auf dem Tisch stand, verkündete, dass heute Abend das jährliche Backgammon-Turnier stattfinden würde. Es war wie die Wachablösung am Buckingham Palace oder der Palace of Westminster – England, wie ein Ausländer es sich vorstellt.
    »Wundert mich, dass nichts von McAras Tod in den Zeitungen gestanden hat«, sagte ich.
    »Hat es ja. Keiner hat ein Geheimnis daraus gemacht. Es waren Nachrufe drin.«
    Als ich jetzt genauer darüber nachdachte, erinnerte ich mich vage daran, etwas gelesen zu haben. Allerdings hatte ich einen Monat lang jeden Tag fünfzehn Stunden gearbeitet, um mein neues Buch abzuschließen, die Autobiografie eines Fußballers. Die Welt außerhalb meines Arbeitszimmers hatte ich nur verschwommen wahrgenommen.
    »Warum in aller Welt identifiziert ein Expremierminister die Leiche eines Mannes aus Balham, der vor Martha’s Vineyard von der Fähre fällt?«
    »Michael McAra«, sagte Rick im eindringlichen Tonfall eines Mannes, der dreitausend Meilen geflogen war, um genau diesen Satz loszuwerden, »Michael McAra hat ihm bei der Abfassung seiner Memoiren geholfen.«
    Das ist der Augenblick, in dem ich – in meinem Parallelleben – höflich mein Mitgefühl für die hinterbliebene Mrs McAra zum Ausdruck bringe (»was für ein Schock, einen Sohn in diesem Alter zu verlieren«), meine schwere Leinenserviette zusammenfalte, mein Glas austrinke, mich verabschiede und hinaus in die Kälte Londons trete, um mich wieder ganz meiner ungefährlichen und durchschnittlichen beruflichen Laufbahn zuzuwenden. Stattdessen entschuldigte ich mich, ging auf die Toilette des Clubs, urinierte gedankenverloren und studierte dabei einen langweiligen Cartoon aus dem Punch.
    »Du weißt doch, dass ich keine Ahnung von Politik habe«, sagte ich, als ich wieder am Tisch saß.
    »Aber du hast ihn gewählt, oder?«
    »Adam Lang? Klar hab ich ihn gewählt. Hat doch jeder. Er war ja auch kein Politiker, er war ein Popstar.«
    »Das ist der Punkt. Wer interessiert sich schon für Politik? Jedenfalls braucht er jetzt einen Ghostwriter, mein Junge, einen Ghost, und nicht noch so einen bescheuerten Politikfreak.« Er schaute sich um. Eine der eisernen Regeln besagte: keine Geschäfte innerhalb der Clubmauern – ein Problem für Rick, weil er überhaupt kein anderes Thema kannte. »Marty Rhinehart hat zehn Millionen Dollar für die Memoiren bezahlt, unter zwei Bedingungen. Erstens: Sie müssen binnen zwei Jahren in den Läden stehen. Zweitens: Er soll in Sachen Krieg gegen den Terror kein Blatt vor den Mund nehmen. Was ich so höre, ist er weit davon entfernt, auch nur eine der beiden Bedingungen zu erfüllen. Um Weihnachten rum stand die Sache so schlecht, dass Rhinehart ihm sein Ferienhaus auf Martha’s Vineyard zur Verfügung gestellt hat, damit Lang und McAra ungestört arbeiten konnten. Schätze, der Druck war zu viel für McAra. Mit dem Alkohol, den der amtliche Leichenbeschauer in seinem Blut festgestellt hat, hätten sie ihm den Führerschein vier Mal klemmen können.«
    »Also Unfall?«
    »Unfall? Selbstmord?« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wer kann das wissen? Was spielt das für eine Rolle? Jedenfalls war es das Buch, das ihn umgebracht hat.«
    »Sehr ermutigend«, sagte ich.
    Während Rick damit fortfuhr, mich für sein Vorhaben zu gewinnen, starrte ich auf meinen Teller. Ich stellte mir vor, wie der frühere Premierminister in der Leichenhalle auf das kalte weiße Gesicht seines toten Assistenten hinunterschaute – auf seinen Ghost, könnte man sagen. Was haben Sie dabei gefühlt? Diese Frage stelle ich meinen Kunden ständig. Während der Interviewphase muss ich sie ihnen hundertmal pro Tag stellen. Was haben Sie dabei gefühlt? Was haben Sie dabei gefühlt? Meistens wissen sie es nicht. Deshalb müssen sie mich anheuern, einen Ghost, der ihre Erinnerungen auffrischt: Am Ende einer

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