Ghostbound (German Edition)
Er war kühl und zugleich feurig. Doch nur wenige Minuten später war die Sonne bereits über den Horizont gewandert, und ihre Hände fanden auf Daniels Rücken keinen Halt mehr. Seufzend senkte sie die Arme, während Daniel seine nun wieder körperlosen Hände ließ, wo sie waren.
„Weißt du, Liz“, sagte er. „Ich glaube, es wäre mir gar nicht möglich gewesen zu gehen. Weiterzuziehen, meine ich. Dafür bin ich einfach nicht stark genug.“
„Ach, nein?“, fragte Elizabeth skeptisch nach, und Daniel schüttelte den Kopf.
„Nein. Du bist mein Anker. Meine persönliche Sonne, deine Gravitation hält mich hier. Wenn du es nicht willst, gehe ich nirgendwo hin.“
Dieser Gedanke gefiel Elizabeth ausgesprochen gut. „Ich bin deine Sonne, und du bist meine Welt“, lächelte sie.
„Eins musst du mir versprechen, Liz.“ Daniels Augen hielten sie fest gefangen. „Wenn du jemals … unglücklich bist, weil du dir etwas wünscht, was ich dir nicht geben kann, wenn du das hier irgendwann beenden möchtest, dann sag es mir, und ich werde gehen.“
„Unmöglich.“ Elizabeth schüttelte energisch den Kopf.
„Unmöglich, es zu versprechen?“
„Unmöglich, dass so etwas je passieren könnte.“
„Na, dann kannst du es doch versprechen …“
„Also gut. Versprochen“, lenkte Elizabeth augenrollend ein. „Aber du musst mir im Gegenzug auch etwas versprechen.“
„Und das wäre?“, wollte Daniel wissen.
„Dass wir keinen einzigen Sonnenauf- und -untergang mehr ungenutzt lassen.“
„Da bin ich dir schon einen Schritt voraus“, lachte er und küsste ihre Nasenspitze. „Was hältst du davon, an den Polarkreis zu ziehen? Ich habe gehört, dass dort die Sonne in bestimmten Monaten stundenlang mit dem Horizont verschmolzen ist.“
23
„Er will tatsächlich, dass du über mich schreibst? Und er nutzt seine Kontakte, damit der Artikel auch veröffentlicht wird?“ Daniel sah Elizabeth mit skeptisch gerunzelter Stirn an.
„Er scheint ein echter Fan von dir zu sein“, sagte sie lächelnd und biss in ihren Honigtoast. Heute Morgen war ihr nach einem ausgiebigen Frühstück zumute gewesen, und so gönnte sie sich nun Toast, Ei, Schinken und Orangensaft. Sie saß am reichhaltig gedeckten Esstisch, einen Fuß auf der Stuhlkante und den rechten Unterarm aufs Knie gelegt. Daniel saß ihr mit auf die Hand gestütztem Kinn gegenüber.
„Hm. Wer hätte das gedacht …“
„Wundert dich das?“
„Naja, es ist nicht so, dass Sir Thomas und ich enge Freunde gewesen wären. Wir haben sozusagen auf derselben Seite gekämpft. Das ist alles.“
Elizabeth zuckte mit den Achseln. „Ich kann es dir gerne auf meinem Diktiergerät vorspielen. Offensichtlich hast du mehr Eindruck auf ihn gemacht, als du dachtest. Es ist nur bedauerlich, dass er uns zu dem Dolch nichts sagen konnte, und dieser Experte, den er kennt, erst nächste Woche erreichbar ist.“
„Ja, das ist schade“, stimmte Daniel ihr zu. „Aber vielleicht kann uns Rileys Freund zwischenzeitlich weiterhelfen.“
„Ach ja, das Computer-Genie. Wo will er sich gleich noch mal reinhacken?“ Daniel hatte ihr kurz zuvor berichtet, was ihn am Vortag so lange aufgehalten hatte. Riley war auf die Idee gekommen, die Dienste eines befreundeten Hackers in Anspruch zu nehmen, woraufhin Daniel und er dem jungen Mann unverzüglich einen Besuch abgestattet hatten. Laut Daniel war es wirklich erstaunlich gewesen, zu sehen, auf was für weitverzweigte, und im Allgemeinen gut abgesicherte Informationsquellen Rileys Freund mühelos Zugriff hatte.
„Inventarlisten von Museen und Auktionsaufstellungen.“
„Fabelhaft“, sagte Elizabeth. „Obwohl ich es doch bedenklich finde, dass du derlei illegale Machenschaften unterstützt, Detective.“
Daniel reagierte auf die Stichelei mit einem verschmitzten Lächeln. „Riley wird zunächst Antiquitätenhändler abklappern und sich dann über Gangs und Vereinigungen mit grausamen Aufnahmeritualen umhören.“
„Orientläden wären auch nicht schlecht. Habe ich dir eigentlich erzählt, dass Sir Thomas meinte, wir sollten uns nicht auf die indische Herkunft des Dolchs versteifen? Er sagte, seiner Meinung nach könne der Dolch aus jedem orientalischen Land stammen, weil ich… also du, gar nicht sicher sein könntest, dass die Schriftzeichen auf der Klinge tatsächlich Devanagari waren.“
„Deva was?“
„Indische Schriftzeichen wie die auf dem Amulett.“
„Natürlich bin ich mir nicht
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