Ghostbound (German Edition)
Stimme klang dunkel und tragend, als erzählte sie im Schein eines Lagerfeuers eine Schauergeschichte. „Sie vermag es, Macht und Reichtum, ja sogar Leben zu schenken, doch sie ist gnadenlos und kennt kein Mitgefühl. Wer ihr dient, darf kein Mitleid zeigen.“ Sie sah wieder auf, und ihre fast schwarzen Augen trafen Elizabeths gebannten Blick.
„Kennen Sie jemanden, der Bhowanee dient?“ Elizabeth versagte beinahe die Stimme.
„Nein, kein Coven in London hat sich Bhowanee als Göttin erwählt. Und ich kenne niemanden, der zu solch schrecklichen Taten fähig wäre, noch nicht einmal Coven, die sich der dunklen Magie verschrieben haben.“
Enttäuscht tauschte Elizabeth einen schnellen Blick mit Daniel. Er hatte einen Unterarm auf das angezogene Knie gelegt und sah sehr grüblerisch aus.
„Ich denke, du kannst davon ausgehen“, sagte Sandra nun, und in ihren Augen lag aufrichtige Anteilnahme, „dass dein Freund, Ian und die anderen, Blutopfer für Bhowanee waren.“
„Das Blut eines Feindes für Bhowanees Wohlwollen“, flüsterte Daniel. „Wen kenne ich, der zu so einem abartigen Kult gehören könnte? Und wer, verdammt noch mal, sieht mich als Feind an?“
So ziemlich jeder, den er irgendwann mal eingebuchtet hat , überlegte Elizabeth. Es war bestimmt nicht schwierig, sich als Polizist Feinde zu machen.
Plötzlich wurde ihr etwas klar und es sorgte dafür, dass mit einem Schlag eine monströse Last von ihrer Seele genommen wurde: Sie war nicht verantwortlich für Daniels Tod. Die Mörder hatten Daniel nicht zufällig als Opfer ausgewählt, sondern sie hatten es tatsächlich gezielt auf ihn abgesehen. Es hätte nicht den geringsten Unterschied gemacht, ob sie an jenem Abend in den Club gekommen wäre oder nicht. Die Mörder stammten aus seinem Umfeld, das war nun klar, genauso wie Ians Mörder aus dessen Umfeld stammten.
Die Erleichterung ließ ihr den Kopf schwirren. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr diese vermeintliche Schuld auf ihr gelastet hatte. „Ben erzählte auch, dass Ian die Runen befragt hat und erfuhr, dass er in Gefahr war, und zwar durch jemanden, von dem er es nicht erwartete.“
„Die Runen waren sogar noch etwas präziser“, sagte Sandra. „Sie warnten ihn vor einem trügerischen Freund, vor jemand, der den Weg des Lichts aus den Augen verloren hat.“
„Woher wissen Sie das?“, wollte Elizabeth überrascht wissen.
„Ian war hier, um meinen Rat einzuholen. Wir haben die Runen gemeinsam befragt. Die Gefahr war überdeutlich herauszulesen, und ich habe ihm geraten zur Polizei zu gehen oder sich zumindest seinen Eltern anzuvertrauen.“ Die blonde Frau senkte traurig den Kopf. „Ich befürchte, er hat diesen Rat nicht beherzig.“
„Bei der Polizei hätte ihm diese Geschichte sowieso keiner geglaubt“, bemerkte Daniel.
„Ben meinte, dass Ian eine Vermutung gehabt haben könnte, von wem die Gefahr ausgeht. Hat er Ihnen gegenüber etwas erwähnt?“
„Nein, leider nicht.“
Sie hörten, wie jemand den Laden betrat, woraufhin sich Sandra mit raschelnden Gewändern erhob. „Hast du sonst noch Fragen an mich?“
Elizabeth Blick huschte zu Daniel, der den Kopf schüttelte. Sie selbst hatte auch keine weiteren Fragen. „Danke, Sans. Das war sehr aufschlussreich.“
Sie folgten Sandra in den Verkaufsraum, wo ein fülliges Mädchen im Hippielook das Angebot an Tarotkarten durchging.
„Gib gut auf dich acht, Elizabeth“, sagte Sandra Headway zum Abschied. „Ein Hauch von Schicksal umweht dich. Du stehst an einem Scheideweg, der auch andere um dich herum betrifft. Jede deiner Entscheidungen hat weitreichende Folgen, nicht nur für dich allein.“ Sie legte eine angenehm warme Hand an Elizabeths Wange und sah ihr durchdringend in die Augen. „Ich spüre, dass Magie ein wichtiger Bestandteil in deinem Leben ist, sie umfängt dich wie eine Umarmung. Doch sie stellt auch eine Bedrohung für dich dar.“ Sandra legte auch die andere Hand an Elizabeths Gesicht. „Denk immer daran, die bei Weitem stärkste Kraft in unserem Universum ist aufrichtige, bedingungslose Liebe. Nichts vermag sich dieser Macht entgegenzustellen.“
Ein Schauer jagte Elizabeths Rücken hinunter, der zur Abwechslung nicht von Daniel herrührte. Sie versuchte zu schlucken. „Danke. Ich werde es mir merken.“
„Also wurde ich wohl einer indischen Göttin geopfert“, fasste Daniel die neuesten Erkenntnisse zusammen, als sie zum Auto zurückgingen. „Und der Mörder ist jemand, den ich
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