Ghostbound (German Edition)
kenne. Ein Feind.“
„Sieht so aus, ja“, bestätigte Elizabeth stirnrunzelnd. Wenn er es so ausdrückte, klang es, als befänden sie sich in einem exotischen Abenteuerroman.
Prüfend sah sie zu Daniel auf, der gedankenverloren die Straße hinunter blickte. Eine Hand hatte er auf ihren Rücken gelegt, die andere rieb immer wieder über seine Brust. „Ich glaube das einfach nicht.“ Er schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich meine, wir leben im 21. Jahrhundert. In England! Wie wahrscheinlich ist es da, dass …“ Er vollendete den Satz nicht, sondern schüttelte nur abermals den Kopf.
„Ich weiß, schwer vorstellbar“, stimmte Elizabeth zu.
Sie waren am MG angekommen. Als sie hinter das Steuer glitt, saß Daniel bereits auf dem Beifahrersitz. „Ich meine, Menschen werden aus Eifersucht, Habgier oder im Streit getötet“, fuhr er im gleichen ungläubigen Ton fort. „Jeden verdammten Tag. Aber ein Blutopfer! Und warum ich? Wer sieht mich als Feind?“
„Vielleicht solltest du mit Tony eure abgeschlossenen Fälle durchgehen“, schlug Elizabeth vor, während sie in den Verkehr einfädelte. Dabei hätte sie fast einen Fahrradfahrer übersehen und legte eine Vollbremsung hin.
Anstelle eine bissige Bemerkung zu ihrem Fahrstil abzugeben, sagte Daniel: „Den Gedanken hatte ich auch schon, aber dann stellt sich wieder die Frage, warum es mich erwischt hat und nicht Tony. Schließlich haben wir alle Verhaftungen gemeinsam durchgeführt.“
„Und bevor ihr Partner wart?“
„Das liegt fast sechs Jahre zurück. Damals hatte ich noch keine eigenen Fälle.“
„Was ist damit, dass die Runen Ian vor einem trügerischen Freund warnten? Vielleicht ist es ja jemand, den du gar nicht als Feind einordnen würdest?“
Daniel verzog das Gesicht. „Also ich weiß wirklich nicht, ob wir diese Runengeschichte als verlässliche Spur behandeln sollten …“
Entnervt schüttelte Elizabeth den Kopf. Wie konnte er - ausgerechnet er! - nach dem heutigen Besuch bei Sandra Headway noch immer eine solche Skepsis an den Tag legen! Noch vor zwei Wochen hatte sie an Zauberei und Runenorakel ebenso wenig geglaubt wie an Geister und magische Amulette. Doch ihr Weltbild hatte sich seitdem gründlich auf den Kopf gestellt. Wenn sie heute jemanden kennenlernte, der von sich behauptete ein Vampir, Werwolf oder der wiedergeborene King of Rock´n Roll höchstpersönlich zu sein, würde sie dem zumindest aufgeschlossen gegenüberstehen.
„Für ein Gespenst, das heute bereits im Bann eines Unwiderstehlichkeitszaubers war, sitzt du auf einem ziemlich hohen Ross, Detective.“
„Also erstens: Nenn mich nicht Gespenst. Ich bin nicht Casper . Und zweitens: Was soll ich gewesen sein?“
Verblüfft sah sie ihn von der Seite an. „Jetzt erzähl mir nicht, du erinnerst dich nicht mehr.“
„Erinnern, an was?“, fragte er gereizt.
„Im Laden? Deine Vorstellung als schmachtender Verehrer?“
„Was?!“
„Du hast Sans praktisch angebetet, Danny. Ich habe nur darauf gewartet, dass du vor ihr auf die Knie fällst und den Saum ihres Kleides küsst. Ich schwöre dir, du sahst aus wie ein hypnotisiertes Kaninchen.“
„Was erzählst du denn da?“ Er schaute sie an, als hätte sie ihren Verstand gerade an der Garderobe abgegeben.
„Du erinnerst dich wirklich nicht, oder? Zu schade …“ Dann machte es nämlich nur halb so viel Spaß, es ihm aufs Brot zu schmieren. „Lass es mich dir so erklären“, sagte sie in einer Art, als spräche sie mit einem begriffsstutzigen Erstklässler. „Sans hat einen Attraktivitätszauber vermasselt. Dadurch wurde sie zu einem unwiderstehlichen Honigtopf und du zu Winnie Pooh . Oder mit anderen Worten“, sie kicherte in sich hinein, „Sans wurde zu Hexe Wendy und du wurdest zu Casper, dem freundlichen Gespenst .“
Sie bog auf den Parkplatz des Globe Pubs ein und stellte den MG ab. Langsam sollte sie sich Gedanken über einen gemieteten Parkplatz machen. Lange würden die beiden Besitzer ihr kostenloses Parken nicht mehr tolerieren.
Mit einem frechen Grinsen drehte sie sich zu Daniel, der sie nun völlig ausdruckslos ansah. „Ich warte oben auf dich“, sagte er nur und war verschwunden.
Oje, hoffentlich hatte sie es mit ihrer Spöttelei nicht übertrieben. Der Zeitpunkt dafür war aber auch denkbar ungünstig gewesen, musste sie sich wohl oder übel eingestehen. Daniel machte die Vorstellung, dass er von jemandem, den er kannte, einer blutrünstigen Hindu-Göttin geopfert worden war, schwer
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