Ghostman: Thriller (German Edition)
hätte nur zwanzig Minuten warten müssen, um seine Erfolgschancen zu verdoppeln und der Polizei praktisch nicht aufzufallen. Also lügt entweder er mich an oder du.«
» Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, antwortete Marcus. » Ich weiß es wirklich nicht.«
Frustriert schlug ich mir mit dem Telefon an die Schläfe. Marcus führte mich an der Nase herum, und das wussten wir beide. Das ganze Gespräch lag wie ein Ziegelstein in meinem Magen.
» Okay«, sagte ich. » Aber du wirst hoffentlich etwas sagen, bevor diese Sache vorbei ist.«
» Hast du wenigstens das Geld?«
» Nein. Ribbons ist noch nicht aufgetaucht.«
» Wie kann das sein?«
» Ich glaube, er ist tot.«
» Was?«
» Er wurde verletzt«, sagte ich. » Ich habe den weißen Do dg e gefunden, den sie benutzt haben. Die Teile, die nicht mehrfach verbeult oder durchschossen worden waren, waren voller Blut. Ich bin kein Fachmann für Schussverletzungen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so viel Blut verliert und dann noch lange lebt. In Anbetracht dessen, dass wir nichts von ihm gehört haben, nehme ich an, er ist tot. Und selbst wenn er noch lebt, kann er nicht mehr viel Zeit haben. Wir müssen anfangen, Krankenhäuser und Leichenschauhäuser im Auge zu behalten.«
» Ribbons geht nicht in ein Krankenhaus.«
» Er stirbt.«
» Das ist ihm egal. Er ist zweimal verurteilt. Wenn er das dritte Mal vor Gericht kommt, fährt er lebenslänglich ein. Ohne Bewährung nach zwanzig Jahren, ohne Deal, ohne vorzeitige Entlassung wegen guter Führung. Lebenslänglich. Typen wie er verbluten lieber auf der Straße, bevor sie in den Knast gehen.« Marcus schwieg kurz. » Was denkst du?«
» Ich denke, dann hat Ribbons sich verkrochen. Er muss sich irgendwo versteckt und gehofft haben, er könnte die Sache über sich hinwegrollen lassen, und als die Wirkung der Drogen nachließ und ihm klar wurde, wie schwer verletzt er war, war es zu spät. Wie ein alter Hund, der unter die Treppe kriecht, um allein zu krepieren. Aber ich bin nicht sicher, dass er wirklich keinen Krankenwagen rufen würde. Ich habe schon oft gehört, dass Leute mir erzählt haben, sie würden lieber sterben, als noch einmal ins Gefängnis zu gehen, und das war jedes Mal ein Haufen Scheiße.«
Marcus sagte nichts.
» Ich muss wissen, ob dir irgendetwas einfällt, wohin er gegangen sein könnte. Irgendein Ort, der ihm wichtig ist. Wo er sich eine Zeitlang bedeckt halten könnte. Und erzähl mir nichts von Motels. Einer, der so stark blutet, kann nirgends mehr einchecken.«
» Vielleicht ist er zurück in die Bude gegangen.«
Die Bude ist der Ort, wo man in der Nacht vor einem Job schläft. Sie ist nicht der Ort, wo der Job geplant wird. Man scheißt nicht da, wo man isst. Bankräuber arbeiten niemals in der Bude. Sie reden da nicht, sie trinken nicht, sie essen nicht, und sie reinigen ihre Waffen nicht. Sie schlafen nur da. Die Bude ist so eingerichtet, dass man innerhalb von dreißig Sekunden verschwinden kann. Damit albert man nicht herum. Man respektiert es. Und man soll niemals dahin zurückkehren. Aber man soll auch nicht angeschossen werden.
» Du hast die Adresse?«, fragte ich.
Marcus gab sie mir langsam, als dächte er, ich müsse mitschreiben. Ich wiederholte sie nur, um sicherzugehen, dass ich alles richtig verstanden hatte.
» Was mache ich mit dem Wolf?«, fragte ich.
» Lass dich nicht umbringen.«
» Das meine ich nicht. Zwischen euch beiden ist jetzt Krieg. Das ist dir klar, oder? Du wirst ihn umbringen müssen, denn sonst bringt er dich um.«
» Sieh nur zu, dass du das Geld findest«, sagte Marcus. » Wenn es explodiert, ist die Sache nicht mehr zu stoppen. Ich kümmere mich um meine Angelegenheiten. Kümmere du dich um deine.«
» Okay.«
Wir schwiegen beide kurz.
» Marcus«, sagte ich schließlich, » wenn ich herausfinde, dass du mich linkst oder dass du auch nur daran gedacht hast, mich zu linken, dann werde ich dich finden und umbringen. Das ist dir hoffentlich klar.«
Ich drückte auf die rote Taste und warf das Telefon aus dem Fenster. Es geriet in den Sog des Windes und prallte gegen das hintere Seitenfenster, bevor es zum Straßenrand wirbelte und dort in tausend Stücke zersprang.
EINUNDDREISSIG
Der Imbiss, ein freistehendes amerikanisches Schnellrestaurant mit einer Neonreklame, die eine dampfende Tasse Kaffee darstellte, stand auf einem ansonsten leeren betonierten Platz vor einer mit Brettern vernagelten Shoppingzeile. Durch die
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