Ghostman: Thriller (German Edition)
einander niemals begegnet, und wenn wir uns noch einmal über den Weg laufen sollten, in einem Flugzeug oder einem Restaurant oder einem U-Bahn-Wagen, wirst du woanders hinschauen, und ich werde verschwinden. Hast du verstanden?«
» Jack…«
» Ob du verstanden hast.«
Marcus schwieg einen Moment lang. » Ich habe verstanden.«
Ich wartete nicht, bis er sich verabschiedete. Kaum hatte er ausgesprochen, schaltete ich das Telefon ab und nahm den Akku heraus. Ich brach die SIM -Karte entzwei und warf alles aus dem Fenster auf die Straße.
Ich sah auf die Uhr. Viertel vor elf.
Ich hatte es geschafft, sieben Stunden vor der Zeit.
Diese Stadt ist kein guter Ort, um zu verschwinden. Daran ist seine geografische Lage schuld. Atlantic City liegt an einem halbmondförmigen Küstenstreifen, der vom Festland durch eine viele Meilen lange, unbewohnbare Salzmarsch getrennt ist. Wenn man auf dem Boardwalk steht, mag die Stadt aussehen wie der Mittelpunkt des Universums, aber in Wirklichkeit ist sie, verglichen mit den meisten anderen Städten, ziemlich unzugänglich. Es gibt nur fünf Wege hinein oder hinaus. Der erste ist ein einzelner Highway in Richtung Norden, der die Wasserstraße des Absecon Inlet überquert. Keine gute Idee. Der zweite ist einer der drei Freeways, die westwärts durch die Salzmarsch führen. Alle drei wären jetzt voll von Polizisten. Der dritte Weg führt durch ein Gewirr von Privatstraßen quer über die Küstenwasserstraßen nach Süden. Ausgeschlossen. Nummer vier ist der Bahnhof. Auch das wäre zu brenzlig. Ich hatte mir zwar ein neues Aussehen und einen neuen Namen zugelegt, aber ich konnte trotzdem nicht riskieren, dass irgendjemand in der Menge mein Gesicht erkannte.
Also musste ich den fünften Weg nehmen.
Mit dem Boot.
Mit einer schwarzen Visa-Karte hatte ich ein paar Stunden zuvor eins gekauft, am Telefon, für sechzigtausend Dollar. Wenn ich als Verbrecher etwas gelernt habe, dann dies: Alles kann man kaufen, wenn der Preis stimmt. Der Preis für das Boot vernichtete einen großen Teil des Profits, den ich bei meinem Deal mit dem Wolf gemacht hatte, aber um Geld war es ja nie gegangen. Ich lebe für den Rausch, nicht für die Dollarzeichen, die daran hängen. Jetzt konnte ich in den nächsten zwei Wochen anonym nach Kuba hinunterdriften. Anzulegen brauchte ich nur, wenn ich Lebensmittel oder Sprit brauchte. Am Ende meiner Reise konnte ich das Boot versenken und mir noch einmal eine neue Identität zulegen. Ich würde tun, was ich immer tat. Ich würde verschwinden.
Für die Fahrt zum Yachthafen ließ ich mir sicherheitshalber ein, zwei Stunden Zeit, und trotzdem lehnte Agent Blacker an einem Pfeiler neben dem Boot, als ich dort ankam. In ihrem Blick lag ein seltsamer Ausdruck, und sie lächelte schief. Nervös trat sie zurück, als sie mich sah, und schrie über den Kai hinweg: » Hier drüben!«
Ich winkte.
Das Boot lag auf dem Platz unter ihr. Eine ältere, dreißig Fuß lange Carver, gebaut in den Achtzigern, vielleicht ein bisschen früher, ein kompaktes kleines Ding mit einem Moskitonetz über dem Oberdeck und einer zerfransten amerikanischen Flagge, die am Heck flatterte. Der Rumpf war schmutzig grauweiß, und die getönten Glasscheiben zeigten erste Trübungen durch die Sonne. Sie hieß The Palinurus.
Als ich herankam, sagte Rebecca: » Ich habe ihn. Das Geld mit der Bundesbeiladung wurde vor nicht mal neunzig Minuten in seinem Penthouse gefunden. Und als ob das nicht gereicht hätte, haben wir noch einen seiner Leute im Kofferraum eines Bentleys im Parkhaus gefunden. Der Typ hat sich zweimal in die Hose geschissen, und jetzt ist er bereit, uns das gesamte Netzwerk des Wolfs zu verraten, wenn er dafür Straffreiheit und Zeugenschutz bekommt. Die müssen ihm eine Riesenangst eingejagt haben.«
» Warum sind Sie nicht da?«
» Weil ich Sie sehen wollte«, sagte sie. » Wenigstens noch einmal, bevor Sie gehen.«
» Sind wir dann quitt?«, fragte ich.
Rebecca nickte. Sie schaute hinaus auf das Meer.
Ich warf die schwarze Sporttasche über den Rand des Anlegers nach hinten auf die Yacht. » Wie haben Sie das mit dem Boot rausgekriegt?«, fragte ich.
» Ich sage doch, ich bin gut in meinem Job. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich halte Sie nicht auf.«
Ich sagte nichts, sondern ließ die Leiter auf das Deck hinunter.
» Ich habe eine Frage«, sagte sie. » Sie müssen sie mir beantworten, bevor Sie losfahren und ich Sie nie wiedersehe.«
» Nämlich?«
»
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