Ghostman: Thriller (German Edition)
hatte. Natürlich ist Angst ein Teil dieses Berufs. Wer keine Angst hat, wenn er mit einer Kanone in eine Bank spaziert, ist ein Irrer. Aber wir machten es alle nicht zum ersten Mal, und deshalb glaubte ich zu wissen, worauf ich mich einließ. Ich glaubte den Ablauf zu kennen. Ich glaubte die Bank zu kennen. Ich glaubte die Leute zu kennen, mit denen ich arbeitete. Ich glaubte zu wissen, welchen Fehler ich begangen hatte und welche Risiken daraus folgten.
Ich hatte keine Ahnung.
Um sieben am Morgen des Jobs holte der Wheelman mich am vereinbarten Treffpunkt nicht weit von meiner Bude mit einem alten Kastenwagen ab, auf dessen Seiten in einer Mischung aus Malaiisch, Englisch und Arabisch die Adresse einer Fensterputzfirma unten in Subang Jaya stand. Fensterputzfirmen können sich in großstädtischen Zentren praktisch unbehelligt bewegen. Die Leute, die Parkplätze beaufsichtigen und für die Gebäudesicherheit zuständig sind, lassen ihnen mehr Spielraum, als sie wahrscheinlich verdienen, denn niemand möchte einen Job haben, bei dem man vierzig Stockwerke hoch an einem Draht hängt und den ganzen Tag Vogelscheiße wegputzt. Alton nickte mir mit einer Zigarette zwischen den Lippen vom Fahrersitz aus zu, als ich die hintere Tür aufschob und hineinkletterte. Seine schwarzen Handschuhe spannten sich geräuschvoll um das Lenkrad.
Das war der Plan: Der Wheelman würde uns an verschiedenen Stellen in der Stadt abholen, wir würden das Ding drehen und dann sofort das Land verlassen. Nach dem Zwischenfall in den Highlands war das Risiko sehr viel größer geworden, aber wir alle waren bereit, es einzugehen. Es dauerte eine Stunde, alle abzuholen. Angela wartete an der Laderampe hinter dem Crowne Plaza. Vincent und Mancini standen an einer Bushaltestelle im Geschäftsviertel unter einer Plakatwand, auf der für ein Handy geworben wurde. Joe Landis und Hsiu Mei saßen beim Frühstück in einem Coffeeshop.
Alle hatten ein gutes Gefühl außer Angela. Normalerweise sprudelt sie vor einem Job von manischer Energie über, aber nicht diesmal. Diesmal war sie kühl und distanziert und starrte durch die Frontscheibe des Lieferwagens, während sie auf einem Nikotinkaugummi kaute. Mehr als alles andere wollte ich mit ihr reden, ich wusste allerdings, dazu war dies nicht der richtige Augenblick. Sie brauchte ihr Schweigen.
Wir parkten an der Straße, an der das Gebäude der Bank of Wales lag, und legten unsere Verkleidung an. Vincent, Mancini und ich würden als Security-Mitarbeiter hineingehen. Wir hatten Mützen mit dem Logo einer Geldtransportfirma und verdeckten unsere Augen mit dunklen Sonnenbrillen. Die weit geschnittenen Uniformen, die wir über unserer Kleidung trugen, konnten wir uns innerhalb von zwanzig Sekunden im Aufzug herunterreißen, sodass wir in einem anderen Kostüm auf der Etage der Bank ankommen würden. Mancini legte sich ein Schrotflintenhalfter aus Nylon um. Er nahm eins der Schrotgewehre aus der Tasche, lud es mit vier leuchtend roten Doppel-Null-Rehpostenpatronen und schob die Waffe in das Halfter. Daneben trug er einen Patronengurt mit kleinen, aber starken Tränengasgranaten, aber als er die Uniform anhatte, sah es nicht aus, als trage er irgendetwas bei sich. Aus einer Schachtel Schrotmunition schüttete er Reservepatronen in jede seiner sechs Taschen.
» Wie lange werden wir noch hier warten?«, fragte Hsiu.
» Hast du keine Uhr?«
» Ich meine, worauf genau warten wir hier?«
Angela drängte sich nach vorn und zeigte auf das Satellitentelefon vorn auf der Ablage.
Ich weiß nicht, wie lange wir so dasaßen. Wahrscheinlich fühlte es sich länger an, als es in Wahrheit dauerte. Wir alle konnten einander riechen. Öl und Benzin, Zigaretten und Alkohol, Nelken und Koriander und schwarzer Pfeffer. Die Enge verstärkte jedes kleine Geräusch. Alton holte eine Zigarette heraus, aber sofort legte Joe Landis eine Hand auf sein Feuerzeug.
» Hast du eine Ahnung, wie viel Nitroglyzerin ich in meiner Tasche habe?«
Der Wheelman verzog das Gesicht und schnippte die unangezündete Zigarette aus dem Fenster. » Soll das heißen, ich darf nicht mehr rauchen, bis die ganze Sache vorbei ist?«
» Hier«, sagte Vincent, » wir haben was für dich.«
Mancini zog ein kleines Fläschchen aus der Tasche und klopfte ungefähr ein Viertelgramm Kokain auf die Pappschachtel mit der Schrotmunition. Mit der Seite seines kleinen Fingers schob er das Koks zu unordentlichen Lines zusammen und zog sich die erste in die
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